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Papst Benedikt und Erzbischof Schönborn in symbolträchtiger Farbenpracht: "Gelb für das Licht (das nicht gelb) und blau für den Himmel (der nicht blau war)."

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Der Papst in Österreich und dann gleich in Maria Zell zu den 850-Jahr-Feiern: Für Nichtatheisten eine Topsensation und ein Megafaszinosum; für Existentialisten keine große Sache. Gut, 850 muss man erst einmal werden: Aber Städte und auch Wallfahrtsorte haben eine hohe Lebenserwartung. Das Christentum ist schon viel älter. Die Christen werden nie so alt.

Jedenfalls lungert der Existentialist müde vor dem Fernseher und sieht, wie die Nicht-atheisten stundenlang im strömenden Regen am Straßenrand ausharren, bis endlich der Panzerwagen vorbeikommt, aus dem ihnen der Mann mit den weißen Haaren zuwinkt, den sie schon so oft im Fernsehen gesehen haben. Nach dem Papamobil kommt auch noch die Seitenblickekamera, und ein paar verzückte Auserwählte in der Regenhaut dürfen ins Mikro sagen: Das war das größte Erlebnis ihres Lebens. Und dann schüttet es weiter. Kinder haben dem Papst etwas geschrieben, wissen aber nicht mehr, was. Sie haben etwas gezeichnet, finden aber die Zeichnung nicht.

Aus den Medien wissen die am Straßenrand auch, dass der Mann gewöhnlich bis zur Mitra hinauf ganz in Weiß erscheint, nur mit roten Schuhen. Jetzt ist die Menge doch ein wenig - nein, nicht enttäuscht, aber doch - irritiert, dass seine liturgische Kleidung extra angefertigt wurde: Gelb (für das Licht, das nicht gelb) und blau (für den Himmel, der nicht blau war). So hätte man ihn, wenn man es nicht besser wüsste, mit einem schwedischen Kardinal verwechseln können. Vielleicht ein diskretes Signal für die Ökumene.

"Irritation" ist eines der Nomen, die in Zusammenhang mit dem aktuellen Papst besonders gerne verwendet werden. Dazu zwei Frohbotschaften. Erstens: Minister Darabos steht zur Fristenlösung (na Gottseidank!). Zweitens: Superintendent Sturm bestellt schöne Grüße und wünscht sich gleiche Augenhöhe. Existentialisten haben keine Wünsche an den Papst und richten keine Worte an ihn. In die Probleme der Nichtatheisten und Arrealisten mischen sie sich nicht. Zölibat? Vereinsproblem! Frauenpriestertum? Internum. Priestermangel: Spricht für sich. Wie sich die Orthodoxen und die Protestanten in Sibiu verstehen werden? Nicht ihre Sorge.

Fußball ist bekanntlich Religion. Religion ist aber auch eine Art Fußball, jedenfalls im Fernsehen. Statt des WM-Studios ein Papst-Studio: Das seit biblischen Zeiten bekannte Glashaus. Der Papstbesuch war ein Mittelfeldgeplänkel und hatte von Anfang an 0:0-Charakter. Es ging einfach um nichts mehr, und man wollte einander nicht weh tun. Einen eigenen Typus Frau hat die Religionsredaktion als Moderatorin hervorgebracht: Selbstbewusst und aufgeklärt, groß, schlank, kein Kopftuch und kein Lächeln. Hohle Phrasen, würdig abgesondert. Hosenanzug. Schmucklos. Nordisch. Nicht unattraktiv. Aber ohne jeden Sexappeal. Eine Art Boris Jirka eben.

Neben ihr im Glashaus fürs Eingemachte Experten, allen voran Professor Paul Zulehner, der ecclesiogene Herbert Prohaska. Was man wissen muss und mitnehmen kann: "Benedikt ist von seiner Persönlichkeit her nicht der, der die Nähe sucht und genießt. Manchmal kippt das aber doch in diskrete Freude, dass er ein bisschen gefeiert und gewürdigt wird". "Der Papst hat Habermas zitiert" (ein Raunen geht durch die Basis!) "Der Papst liebt die Kinder" (aber sicher auch die Erwachsenen und die Alten). "Der Papst liebt Europa" (aber sicher auch Asien, Afrika u.s.w.). "Es geht dem Papst um den Menschen - wie in der Psychoanalyse bei Frankl. Jesuanisch." "Auch Päpste müssen essen." "Gottesdienste haben gottvoll und erlebnislebendig zu sein". "Die Pfarrgemeinderäte sind ein leichter Hauch von Demokratie in der katholischen Kirche." "Papst Benedikt zieht sich in der Sakristei um und dann bis zur Vesper zurück." Wer im Glashaus sitzt ...

Was bleibt vom Besuch? Die Gläubigen werden weiterglauben, die Ungläubigen weiter nicht. Das Wort Religionsfreiheit hat weiterhin zwei Bedeutungen.

Verlängerung. Zum 900-Jahr-Jubiläum kommt der Papst sicher wieder. Und sicher wird es wieder schütten. In Mariazell schüttet es ja immer. Zwei Pilger sind leider beim Pilgern gestorben: Einer so alt wie der alte, einer so alt wie der neue Papst. Sonst weiß man nichts von ihnen, dabei geht es bei der ganzen Veranstaltung genau darum. Aber Benedikt hat die beiden sofort in sein Gebet miteingeschlossen und ist sich sicher, dass die Heilige Maria sie direkt in den Himmel zum Tisch des Herrn mitgenommen hat. Genau deswegen funktioniert die Geschichte schon seit 2000 Jahren so wunderbar, mit oder ohne Studio. (Egyd Gstättner/DER STANDARD; Printausgabe, 10.9.2007)