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"Orpheus in der Unterwelt" in der Volksoper: Peter Matic als abgewiesener Tröster der sich langweilenden Eurydike (Jennifer Bird).

Foto: Trierenberg/APA

... als das Ballett zu hopsen vermochte: Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" war ein Erfolg, der mit drastischen Mitteln erkämpft wurde.

Wien – Anders als Eurydike, die sich bei Offenbach als Gattin des Orpheus auf Erden ebenso fadisiert wie als spätere Geliebte des Teufels in der Hölle, amüsierte sich das Volksopern-Publikum während der Premiere von Orpheus in der Unterwelt über all die mythologischen Kalamitäten, in welche Jupiter und seine Familie im Olymp und im Hades gerieten.

Und es geht ja wirklich lustig zu: Eurydike hat die dauernden Übergriffe ihres die Geige lehrenden Gemahls Orpheus auf seine Schülerinnen satt und sehnt sich ihrerseits nach einem solchen Übergriff. Dass sie ihn ausgerechnet von Pluto, den Herrscher der Unterwelt, erfährt, ist ihr Pech. Er zieht nämlich aus, um die Institution der Ehe zu erschüttern.

Ergo ist er auch als Liebhaber nicht sehr ausdauernd, so dass sie sich in ihrem prächtigen Schlafzimmer genau so langweilt wie neben dem flatterhaften Orpheus und auf den senilen Jupiter angewiesen ist, der bei seinen frivolen Annäherungen die Gestalt einer Fliege annimmt.

Das alles – und noch mehr – an Verwirrungen wird dank einer blendenden deutschen Fassung durch Peter Lund sprachlich mit viel Witz serviert, aber doch mit übergroßem Animo dargestellt.

Einzig Christian Baumgärtel als Pluto und der in dieser Rolle eigentlich überbesetzte Peter Matic als Styx zeigen so etwas wie die bei Offenbach einfach unerlässliche ironische Distanz und so etwas wie feine Klinge.

Auf sie legt auch Helmut Baumann als ausschließlich auf quirlige Abläufe bedachter Regisseur keinen Wert, und Florian Ludwig als Dirigent auch nicht. Letzterer sorgt zwar für flotte Tempi, dreht aber die Dynamik so laut auf, als säßen lauter Schwerhörige im Publikum. So kommt auch das flexibel Federnde, das dieser Musik ja eigentlich den Charme verleiht, sie in Wirklichkeit ausmacht, ganz und gar nicht zur Geltung.

Und so kommt es, dass eine Stimme, die möglicherweise zu entdecken gewesen wäre, die von Jennifer Bird als Eurydike nämlich, ebenfalls, vor allem in den Anfangsphasen dynamisch so überspannt klang, dass man zunächst nur feststellen kann: Diese Eurydike hat ein helles Timbre, eine beachtliche, bis zu exponierten Hochtönen sicher funktionierende Technik. Ansonsten ist von keinerlei stimmlichen Glanzleistungen zu berichten.

Sie sind es auch nicht, die man bei einer Offenbach-Operette in erster Linie erwartet. Folglich ist Orpheus in der Unterwelt auch bei einem Sprechtheaterensemble gut aufgehoben. Und der jetzige Volksoperndirektor hat vor elf Jahren an der Burg ja selbst den Orpheus gespielt. Sebastian Reinthalers Tenor war daher durchaus ausreichend. Darstellerisch wirkte er blass, von der Regie und von Uta Lohers und Conny Lüders Kostümeinfällen verlassen.

Abstand zum Text

Daher müsste ihm das Postulat nach einem gewissen Abstand zum Text geläufig sein. Alles, was man ehrlich meint, bringt Offenbach und seine Textautoren, Hector Crémieux und Ludovic Helévy aus dem Tritt. Von Offenbach zum Surrealismus ist es nur ein kleiner Schritt.

Und kein Graben, wie ihn etwa Carlo Hartmann als gewiss recht lustiger Jupiter spürbar werden lässt. Auch Erni Mangolds Rolle der Öffentlichen Meinung gibt, so wie sie diese darstellt, doch einiges an unnötigen gestischen Investitionen zu erkennen. Dasselbe ist von Gerald Pichowetz zu sagen, der mit seinem Cupido eine veritable, vom Publikum durchaus goutierte, doch stilistisch verfehlte Lachnummer abliefert.

Helga Papouschek zeigte als Juno eine gewisse darstellerische Contenance, die sie vor knalligen Effekten bewahrte.

Mathias Fischer-Dieskau hat für dieses zum Teil sehr derb vergnügliche Treiben praktikable Schauplätze hingestellt. Der Lift, der zwischen Himmel und Hölle verkehrt, bewies szenischen Humor – was man von Roswitha Stadlmanns müder Choreografie weniger sagen kann. (Peter Vujica / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.9.2007)