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Ab 35 Jahren wird Schwangeren besondere medizinische Aufmerksamkeit zuteil. Mitunter können die pränataldiagnostischen Untersuchungen zu einer unerwarteten psychischen Belastung werden.

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Das Alter, in dem Frauen Mütter werden, verschiebt sich seit Langem kontinuierlich nach oben. Im vergangenen Jahr lag das Durchschnittsalter bei 29,7 Jahren. Allein in den letzten 15 Jahren stieg das Gebäralter beim ersten Kind um fast drei Jahre – von 25,1 (1991) auf 27,9 Jahre (2006). Auch Schwangere Anfang 40 sind keine Ausnahme mehr. Etwa jedes fünfte Kind, das in Österreich 2006 zur Welt gekommen ist, hat eine Mutter über 35 Jahre.

Risikoschwangerschaft ab 35

Während die gesellschaftliche Akzeptanz für die späte Mutterschaft steigt, müssen sich die Frauen trotzdem mit einigen Tatsachen auseinandersetzen: Schon ab dem 35. Lebensjahr wird im Mutter-Kind-Pass, in dem alle Untersuchungsbefunde während der Schwangerschaft und Geburt eingetragen werden, grundsätzlich von einer Risikoschwangerschaft gesprochen.

Gestosen, Bluthochdruck oder Thrombosen

Bluthochdruck, Thrombose oder die schwangerschaftsbedingte Stoffwechselkrankheit Gestose werden häufig als Risiken für späte Mütter angeführt. "Diese Beschwerden werden häufig überbewertet", ist Universitätsprofessor Karl Philipp, Vorstand der Gynäkologischen und Geburtshilflichen Abteilung des Wiener Donauspitals, überzeugt. "Sie sind heute bei entsprechender Betreuung relativ einfach in den Griff zu bekommen."

Chromosomenabweichung

Ein ernstes Problem hingegen ist die mit dem Alter der Mutter zunehmende Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit einer Chromosomenabweichung zu bekommen. Der Grund dafür liegt in erster Linie in der abnehmenden Qualität der Eizellen. Im Laufe des Lebens sind sie, wie alle Körperzellen, verschiedensten Umwelteinflüssen ausgesetzt, Schadstoffe und Infektionen beeinflussen ihre Beschaffenheit negativ.

Genetischer Schaden

Die häufigste Chromosomenabweichung ist Trisomie 21 (Down-Syndrom). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine 35-jährige Frau ein Kind mit diesem Gendefekt zur Welt bringt, liegt nach Angaben der Londoner Fetal Medicine Foundation bei 1 zu 360. Sie steigt auf 1 zu 100 bei Frauen im Alter von 40 Jahren und auf 1 zu 30 bei 44-Jährigen (verglichen mit 1 zu 1350 im Alter von 25 Jahren). "Wer über 35 ist und ein Kind plant, sollte sich mit dieser Tatsache vor der Schwangerschaft auseinandersetzen", empfiehlt Philipp.

Auch für andere Chromosomenanomalien des Kindes, wie Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) oder Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) steigt das Risiko mit dem Alter der Mutter – häufig enden diese Schwangerschaften dann allerdings mit einer Fehlgeburt.

Pränatale Diagnostik

Mit den Methoden der pränatalen Diagnostik lässt sich heute das Risiko einer Chromosomenabweichung des Fötus frühzeitig ermitteln, der Großteil der Frauen entscheidet sich im Falle einer bekannten Schädigung für einen Abbruch. "Die derzeit beste Methode ist der Combined-Test", sagt Philipp. Er stellt weder für die Mutter noch für den Fötus ein Risiko dar und kann von der 11. bis 13. Woche durchgeführt werden.

Plazentahormone und Ultraschall

Es handelt sich dabei um eine Kombination zweier Verfahren: Zum einen werden gewisse Plazentahormone analysiert, die um die 12. Schwangerschaftswoche in bestimmten Konzentrationen im mütterlichen Blut zirkulieren. Parallel dazu wird per Ultraschall beim so genannten Nackentransparenztest die Dichte der Flüssigkeit im Nackenbereich des Kindes ermittelt. Sie beträgt durchschnittlich 1 bis 2,5 mm. Ist sie erhöht, ist das ein Hinweis auf einen möglichen Chromosomenschaden.

Gesamtrisiko – Berechnung

Ein Computerprogramm berechnet schließlich aus dem mütterlichen Blutbefund und der kindlichen Nackentransparenz unter Berücksichtigung des Alters der Mutter ein Gesamtrisiko. Ein Risiko von 1:300 bedeutet zum Beispiel, dass von 300 Schwangeren mit entsprechenden Werten eine Frau ein Kind mit Down-Syndrom bekommt. Ab diesem Wert wird von den meisten Gynäkologen eine weitere Untersuchung, meist eine Chorionzottenbiopsie, auch Plazentauntersuchung genannt, empfohlen.

Chorionzottenbiopsie

Die Chorionzotten liegen am Rand der Fruchthöhle, ihre Zellkerne enthalten dieselbe Erbinformation wie die Körperzellen des Kindes und können ab der zehnten Schwangerschaftswoche entnommen werden. Mit einer Hohlnadel wird durch die Bauchdecke der Frau gestochen und Gewebe zur Analyse entnommen. Diese Methode hat die Fruchtwasseruntersuchung, die meist zwischen der 15. und 18. Woche gemacht wird, heute vielfach abgelöst.

"Aufgrund des nicht-invasiven Combined-Tests können viele Mütter heute auf eine Punktionsdiagnose ganz verzichten", erklärt Philipp. Eine solche kann nämlich unter Umständen eine Fehlgeburt auslösen – das Risiko liegt bei 0,5 bis 1 Prozent.

Invasive Diagnostik

Ein Verdacht auf eine Chromosomenabweichung als Ergebnis der Combined-Methode und das Warten auf das sichere Ergebnis der invasiven Diagnostik – von zwei Tagen bei der Chorionzottenbiopsie bis zu zwei Wochen bei der Fruchtwasserpunktion – bedeuten für viele Frauen eine größere psychische Belastung, als sie im Vorhinein annehmen.

Dass dann trotz aller Risiken der Großteil der über 35-Jährigen gesunde Kinder zur Welt bringt, ist eine Folge der Pränataldiagnostik. Als Risikogruppe betrachtet, wird ihnen heute besondere medizinische Aufmerksamkeit zuteil. (Sabina Auckenthaler, MEDSTANDARD, Printausgabe, 10.09.2007)