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Der Papst Sonntagabend vor dem Abflug: Keine zwei Stunden später legte Kardinal Schönborn mit Kritik an der geltenden Gesetzeslage zur Abtreibung nach.
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Wien - Kaum war der Flieger mit dem Heiligen Vater in Richtung Vatikan abgehoben, da legte am Boden ein heimischer Kirchenmann nach: In der ORF-Sendung "Im Zentrum" stellte Kardinal Christoph Schönborn Sonntagabend zur Fristenlösung unmissverständlich klar: "Die jetzige Gesetzeslage ist für uns sicher ein nicht akzeptabler Status." Zwar müsse die Kirche "damit leben, weil das demokratisch so entschieden ist" - aber der Kardinal wünscht sich künftig "mehr staatliche Unterstützung, etwa für Hilfsfonds". Bei seinem Österreich-Besuch hatte der Papst zuvor erklärt, dass Abtreibung für ihn ein Unrecht bleibe.

Wobei seine Aussagen viel Raum für Interpretation lassen. Benedikt XVI. hatte in einer Rede gemeint: Die Abtreibung sei "kein Menschenrecht". Um anschließend an Österreichs Politiker zu appellieren, "nicht zuzulassen, dass Kinder zu einem Krankheitsfall gemacht werden und dass die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht nicht faktisch aufgehoben wird".

Wenn es insgeheimes Ziel des Papstes war, hierzulande zumindest die Diskussion über die Fristenlösung neu zu entfachen, dann ist ihm das bereits gelungen.

Was, wenn sich die hiesigen Hirten durch seinen Auftritt nun in ihrem Kampf gegen die Abtreibung bestärkt fühlen? "Ich hoffe nicht, dass dem so ist", sagt Frauenministerin Doris Bures (SPÖ) im Gespräch mit dem Standard und meint: "In den letzten Jahrezehnten sind wir in Österreich gut gefahren mit unserer Trennung von Kirche und Politik. Bei der Fristenlösung möchte ich kein Zurück mehr in die 50er- und 60er-Jahre, in denen es zwar auch Schwangerschaftsabbrüche gegeben hat, aber Frauen Geschäftmachern ausgeliefert waren. Denn das hat oft zu gesundheitlichen Schäden nach so einem Eingriff geführt."

Grundsätzlich ist Bures nach der Papst-Visite aber um versöhnliche Worte bemüht. Schönborns Forderung nach mehr staatlicher Unterstützung nennt sie "ein gemeinsames Anliegen". Ihr ginge es als Ministerin vor allem darum, "alles dazu beizutragen, damit Frauen erst gar nicht ungewollt schwanger werden". Aber dazu gehört für Bures nicht nur "Aufklärung", sondern auch "der ungehinderte Zugang zu Verhütungsmitteln" - was die römisch-katholische Kirche ja nicht unbedingt goutiert.

Die Kirche hat bereits 1973, auf dem Höhepunkt der Fristenlösungsdebatte, einen eigenen Hilfsfonds eingeführt. Dieser unterstützt hilfesuchende Frauen nicht nur finanziell, sondern auch bei der Wohnungs- und Jobsuche.

Nicht nur für die SPÖ, auch für die Volkspartei gibt es derzeit keinen Bedarf, die Abtreibungsregelung infrage zu stellen: So will Justizsprecher Heribert Donnerbauer den Papst auch gar nicht verstanden wissen. Es gehe ihm vielmehr darum, "dass es keine Ausweitung gibt, wie etwa die Abtreibung auf Krankenschein", meint Heribert Donnerbauer. Und von der Politik gebe es da weder in die eine noch in die andere Richtung Initiativen.

Auch ÖVP-Familiensprecherin Ridi Steibl will nicht an der Fristenlösung rütteln. "Wir sehen in der strafrechtlichen Verfolgung von Frauen kein geeignetes Mittel." Vielmehr sollten Frauen in Notsituationen nicht alleine gelassen werden. Und "so ist auch die gesetzliche Situation in Österreich", betont Steibl.

Wenig Begeisterung

Bei der kirchennahen Beratungsorganisation "Aktion Leben" ist man über die neu entflammte Debatte wenig begeistert. Im Gegenteil. "Das bringt uns keinen Schritt weiter", ärgert sich Martina Kronthaler von der "Aktion Leben". Das Hinterfragen der Fristenlösung führe nur zu "altem Lagerdenken".

Viel wichtiger wäre, dass "es einen parteiübergreifenden Runden Tisch gibt, bei dem die Probleme offen angesprochen werden", meint Kronthaler zum Standard. So fehle es etwa an einer statistischen Erhebung der Motive, die hinter den Schwangerschaftsabbrüchen stecken. Verstärkt gehöre unter anderem auch die Aufklärung über Empfängnisverhütung in Schulen. Geschätzte 30.000 bis 40.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr gibt es in Österreich, genauere Zahlen gibt es mangels statistischem Material keine. (Peter Mayr, Karin Moser, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. September 2007)