Die Bewohner der malerischen Städte der Kanalinsel Jersey wollen unter anderem auch die alte Tradition hochhalten, Firmen niedrig bis gar nicht zu besteuern.

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Martin De Forest-Brown, Jersey: "In Österreich wird mehr Geld gewaschen."

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Die Suche nach dem "Firmensitz" von Meinl European Land auf der britischen Kanalinsel Jersey endete in einem teuren Ledersessel und mit ein paar freundlichen Worten. Mit derart angewandter Diskretion verdienen die Insulaner viel Geld, war zu erfahren.
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E-Mails bleiben unbeantwortet, eine Telefonnummer ist laut Auskunft "nicht eingetragen". Wie gut, dass auf der Website von Meinl European Land (MEL) eine Adresse steht: Die ruhige New Street führt mitten durch das Zentrum von St. Helier, der Hauptstadt der englischen Kanalinsel Jersey. Hausnummer 26 prangt an einem aufs Feinste renovierten Gebäude mit roter Backsteinfassade. Mehrere Schilder weisen das Haus als Firmensitz der Bedell Group aus. Von MEL ist nicht die Rede. Immerhin steht die Tür einladend offen.

Am Empfang der "führenden Offshore-Rechts- und Treuhänderfirma" (Eigenwerbung) waltet ein Musterbeispiel von Diskretion. Ja, MEL sei hier registriert, sagt die freundliche Dame, aber wer damit befasst sei, "das weiß ich nicht". Es handelt sich um zwei Firmenpartner der Bedell Group, beide fungieren als MEL-Direktoren. Die Dame notiert sich die Namen Michael Richardson ("gerade in einer Vorstandssitzung") und Peter Byrne ("muss ich mal sehen"), deutet einladend auf die Ledersessel im Foyer und verschwindet im Nebenzimmer.

Es dauert einige Minuten, dann bittet ein junger Mitarbeiter freundlich in ein Besprechungszimmer: Byrne und Richardson seien nicht zu sprechen, man möge sich doch bitte an den MEL-Pressesprecher in Wien wenden. Ist es gut fürs Bedell-Image, dass die Firma in die Turbulenzen um MEL verwickelt ist? Antwort: "Alle Direktoren handeln immer im besten Interesse der Aktionäre und im Einklang mit den Gesetzen von Jersey."

Die Gesetze auf der malerischen Insel, die 20 Kilometer vor der Normandie im englischen Kanal liegt, erlässt das Inselparlament – ein Teil einer kuriosen, historisch gewachsenen Sonderstellung. Die Bewohner haben sich 1204 für den Verbleib bei der englischen Krone entschieden. Heute wird Jersey wie die kleineren Guernsey, Sark und Alderney von Großbritannien nach außen hin vertreten, genießt aber fiskalische Autonomie. Das haben die Insulaner in den letzten vierzig Jahren dazu genutzt, zu einem wichtigen Offshore-Finanzzentren weltweit aufzusteigen.

Mehr als ein Viertel der rund 80.000 Jerseyer arbeitet als Banker, Rechtsanwälte, Treuhänder und Sekretäre dafür, den Reichtum vermögender Ausländer – und ihren eigenen – zu vermehren. Seit Jahren erwirtschaftet die Branche der Finanzdienstleister zwischen 50 und 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Pro-Kopf-Einkommen liegt Jersey hinter Luxemburg, aber deutlich vor den USA und der Schweiz. Und die Jerseyer ziehen immer neue Sparmilliarden und Firmenregistrierungen an Land. Seit Dezember 1997 gehören auch Meinl-Töchter zu den gut 33.000 Firmen, die ihren Sitz auf Jersey haben. Derzeit sind acht Meinl-Firmen im Handelsregister zu finden; der jüngste Eintrag stammt vom 3. August und betrifft "Meinl Caucasus and Central Asia Fund".

Warum so viele Sparer und Unternehmer offshore gehen? Da verzieht Martin De Forest-Brown das Gesicht: "Offshore finde ich keinen so passenden Ausdruck." Wie wäre es mit Steuerparadies? "Oh nein, das hat einen sehr negativen Beigeschmack. Wir sprechen lieber von internationalem Finanzzentrum." Der 46-Jährige leitet in der Regierung von Jersey die Abteilung International Finance, ist also fürs Wohlergehen der Finanzdienstleister zuständig. Und hatte zuletzt schwere Kämpfe zu bestehen: Die Schutzmacht Großbritannien, die EU, aber auch verärgerte Staatsanwälte aus den USA verdächtigten die Insel immer wieder der Geldwäsche, Beihilfe zur Steuerhinterziehung und anderer Gaunereien – Gift fürs reinliche Image der Kanalinsel.

Jersey tauchte sogar auf einer schwarzen Liste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf. Die war "schädlichen Steuerpraktiken" auf der Spur, welche "den Wettbewerb verzerren und Investitionen behindern".

Dabei sei die "Steuervermeidung immer nur ein sehr kleiner Anteil unseres Geschäfts" gewesen, beteuert De Forest-Brown. Eifrig führte die Insel die Quellensteuer ein, beteiligt sich auch am EU-weiten Informationsaustausch über Sparguthaben. Resultat: Jersey verschwand von der schwarzen Liste, das Geschäft mit ausländischem Kapital boomt wie eh und je.

Ob auch schmutziges Geld dabei ist? "Ich garantiere Ihnen eines", sagt De Forest-Brown: „In Ländern mit Bankgeheimnis wie in Österreich wird mehr Geld gewaschen als hier. Wir sind der festen Überzeugung, dass Geldwäsche nur einen verschwindend kleinen Teil der Finanzwirtschaft ausmacht. Außerdem kooperieren wir vollständig mit allen Verbänden." Für 2008 hat der Internationale Währungsfonds eine Prüfung angekündigt. Dann wird Regierungschef Frank Walker das gerade erst bezogene Gebäude der Finanzaufsichtsbehörde FSC vorführen.

Die Schlagzeilen rund um MEL, die Sorgen österreichischer Kleinanleger sind an der Insel spurlos vorübergegangen. Die Jerseyer haben andere Sorgen. Erstmals soll im kommenden Jahr eine Mehrwertsteuer von drei Prozent eingeführt werden. Lächerlich wenig im Vergleich mit Nachbarländern. Aber Lebenshaltungskosten und Mieten sind hoch; wer mit wenig Geld auskommen muss, wird Einschnitte spüren. Dafür wird der Steuersatz für Firmen generell von 20 auf null Prozent gesenkt, Finanzdienstleister zahlen zehn Prozent, weniger als etwa in Dublin (12,5 Prozent). "Wir müssen unsere Finanzindustrie verteidigen", so De Forest-Brown. MEL dürfte von den Steuererleichterungen wenig spüren. Die Immofirma brüstet sich in ihrem Geschäftsbericht schon heute damit, „keine Einkommenssteuer“ zu bezahlen. (Sebastian Borger, Jersey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.09.2007)