David Ellensohn wertet die Meinl-Affäre als idealen Anlass für eine Debatte um Steuergerechtigkeit – und liefert mit der Forderung nach massiver Ausweitung vermögensbezogener Steuern gleich den ersten Beitrag dazu.

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"Der Vergleich macht Sie reich." Der Slogan, mit dem die Immobiliengesellschaft Meinl European Land Kundschaft lockte, stimmt noch immer. Kleine Einschränkung: „Sie“ sollten Julius Meinl V. sein. Für die 150.000 Kleinanleger/innen hingegen bleibt nach dem schmerzlichen Kurssturz die vage Hoffnung auf erfolgreiche Klagen...

Vorweg ein Armutszeugnis: Eine Million Menschen leben in Österreich an und unter der Armutsgrenze, davon gelten 420.000 Menschen als manifest arm, darunter 100.000 Kinder und Jugendliche. Gleichzeitig wächst die Zahl der österreichischen Euro-Millionäre schneller als das BIP und hat sich seit 1999 auf über 70.000 verdoppelt. Den britischen Staatsbürger Julius Meinl V. sucht man in dieser Statistik zwar vergeblich, an der Kernfrage ändert das aber nichts: Wie konnte das von Wirtschaftsmagazinen auf zwei Milliarden Euro geschätzte Meinl-Vermögen in den letzten Jahren so exorbitant vermehrt werden? Welchen gesellschaftlichen Nutzen hat dieses Vermögen? Wie viel Einnahmen hat der Staat, um seinerseits Bildung und Gesundheit zu finanzieren und Armut zu bekämpfen?

Intransparente Besitz- und Vermögensverhältnisse gehören zur Familientradition. Schon im Jahr 1993 verschwanden Meinl-Aktien wieder vom Kurszettel der Wiener Börse. Die Eigentumsstrukturen konnten so weiterhin im Dunkeln gehalten werden. Den damaligen Aktionären ging es dabei nicht viel besser als den heutigen: Das Abfindungsangebot, das sich am aktuellen Tiefststand orientierte, war ebenso eine Zumutung wie das schier undurchschaubare Firmenkonglomerat.

Da passt es ins Bild, wenn nun Meinl V. selbst in den letzten Tagen zur MEL auf Distanz ging. Immerhin handelt es sich um jene Gesellschaft, die der in Familienbesitz befindlichen Meinl-Bank 2006 55 Millionen Euro Provision beschert hat. Der Fiskus dürfte dabei allerdings durch die Finger schauen.

Julius Meinl V. bestätigt jene These einmal mehr, wonach richtig reich werden in der Regel nicht durch Arbeiten, sondern nur durch Erben möglich ist. Sein Eintritt in die Meinl Bank 1983 fällt so gesehen in die Zeit des Beginns gesellschaftlicher und politischer Umwälzungen: Globalisierung bzw. Europäisierung und die Hegemonie der internationalen Finanzmärkte kennzeichnen diese Entwicklung.

Nützliches Netzwerk

Neben persönlichen Netzwerken profitiert Meinl, wie natürlich auch andere, von der staatlich geförderten privaten Pensionsvorsorge, eingeführt unter anderem von Karl-Heinz Grasser. Nicht eben hinderlich darüber hinaus das persönliche Netzwerk von Wolfgang Flöttl bis KHG. Investmentfonds, Banken und Anleger mit großen und mobilen Vermögen sind hier die Gewinner. Und abgesehen davon, dass sich viele Menschen diese private Pensionsvorsorge gar nicht leisten können, ist das Risiko für den Einzelnen, sein Geld zu verlieren, hoch; der "Gewinn" reicht jedoch meist bei Weitem nicht für eine Absicherung im Alter. Hauptsache wir haben das solidarische Umlageverfahren diskreditiert und für den Klub der Reichen noch bessere Spekulationsmöglichkeiten geschaffen.

All diese Details sind eingebettet in neoliberale Rahmenbedingungen, die ihrerseits nicht ohne Auswirkungen auf das soziale Gefüge bleiben. Was tun? Die Beantwortung der Frage "Wie entsteht Reichtum?", bietet eine Vielzahl an Anknüpfungspunkten für die Politik. Sie darf sich aber nicht in der Betrachtung von Einzelfällen und der Novellierung von Börsegesetzen erschöpfen. Vielmehr müssen EU-weite Kapitalverkehrskontrollen mit Berücksichtigung von Kapitalrückflüssen aus Steueroasen, die Beendigung des internationalen Steuerwettbewerbs und die spürbare Anhebung von Vermögenssteuern ins Zentrum der Diskussion rücken.

Die Kehrseite der Rahmenbedingungen, die Meinl und Co unglaubliche Profite ermöglichen, sind nicht nur steigende Armutszahlen, sondern längst die Bedrohung des Mittelstandes. Die Profite und Vermögen werden kaum besteuert, aber dem Sozialstaat geht angeblich die Luft aus. In diesem Fall ist das Vermögen, das hier vermehrt wird, wohl vererbt und nicht erwirtschaftet. Es hat nichts produziert und keine Arbeitsplätze geschaffen. Es wurde über Aktiengewinne vermehrt, die zum Großteil steuerfrei sind oder steuerschonend und intransparent in Stiftungen angelegt werden.

Schiefe Relationen

Hier geht es nicht um eine Neiddiskussion, sondern um das Zurechtrücken von Tatsachen. Die reichsten 10 Prozent in Österreich besitzen ein Drittel des Gesamtvermögens, das quasi unversteuert nichts zur sozialen Sicherheit in Österreich beiträgt. Die Lohnsteuer hingegen beträgt 30 Prozent des Gesamtsteueraufkommens.

Nein, die Antwort auf diese ungleiche Verteilung ist nicht die Senkung der Abgabenquote, sondern eine Besteuerung dieser obersten 10 Prozent, zumindest auf dem Niveau der EU-15. Das entspricht einer Verfünffachung der vermögensbezogenen Steuern in Österreich. (David Ellensohn, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.09.2007)