Der grüne Stadtrat David Ellensohn betätigt sich als wirtschaftspolitischer Trittbrettfahrer, wenn er wie gestern an dieser Stelle ("Meinl, Multis, Millionäre") die aktuellen Vorgänge auf dem Aktienmarkt dazu benutzt, altsozialistisches Gedankengut aus der Mottenkiste zu recyceln. Mit viel Brimborium und einem kräftigen Druck auf die Tränendrüse geriert er sich als grüner Robin Hood, der den Reichen nimmt und den Armen gibt. So einfach kann Politik sein, wenn man hartnäckig an den Fakten vorbeigeht.

Zum einen: Ein Anstieg der Armut in Österreich ist statistisch nicht nachweisbar. Hinzu kommt, dass allein schon die Messung der Armutsgefährdung grobe Probleme mit sich bringt. Armutsgefährdet ist laut EU-Definition in Österreich jeder, dessen Haushaltseinkommen unter der Armutsgrenze von 60 Prozent des Medianeinkommens liegt. Armutsgefährdet ist somit nicht gleich armutsgefährdet: einerseits in der Relation zu anderen Ländern mit niedrigerem Medianeinkommen, andererseits im Vergleich zur Situation eines Betroffenen vor zehn oder 20 Jahren. Ein kleines Gedankenspiel zeigt die Absurdität auf: Hätten die Österreicher nur ein Zehntel des derzeitigen Medianeinkommens, aber alle in etwa gleich viel, wäre keiner unserer Landsleute armutsgefährdet. Ein wünschenswerter Zustand, Herr Ellensohn?

Von den Armen schnurstracks zu den Reichen, den "G'stopften", die nach reiner grüner Lehre jetzt endlich auch einen ordentlichen Beitrag leisten sollen. Fünf Milliarden Euro wollen sie den Reichsten wegnehmen (warum so bescheiden?) und an die Armen verteilen. Möglich werden soll dies durch die Anhebung der vermögensbezogenen Steuern, konkret durch Wiedereinführung einer Vermögenssteuer. Dass es diese in Österreich von Finanzminister Lacina 1994 abgeschaffte Steuerart nur noch in vier europäischen Ländern gibt, sei nur am Rande erwähnt. Auch die Tatsache, dass Vermögen nichts anderes als gespeichertes Einkommen ist, das bereits einmal versteuert wurde, wird von den Grünen nicht einmal ignoriert. Weit interessanter ist da, dass das Aufkommen der früheren Vermögenssteuer gerade einmal ein Prozent des gesamten Steueraufkommens betragen hat.

Dass die Wiedereinführung bzw. Erhöhung einer Steuer zu Ausweichreaktionen, sprich: zu einer Abwanderung des Kapitals, und zu einer Schwächung des Standorts führt, wird ja von den Grünen schlichtweg geleugnet. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die von den Grünen abgelehnte Absenkung der Körperschaftssteuer auf 25 Prozent nicht zu einer Verringerung, sondern zu einer Erhöhung des Steueraufkommens aus diesem Titel geführt hat (allein plus 42 Prozent im ersten Halbjahr 2007). Aber nicht jeder kann zum steuerpolitischen Paulus werden, wie unser Kanzler, der jüngst jene Maßnahmen der Steuerreform international pries, die er noch als Oppositionschef verdammt hat.

Besonders perfid finde ich es aber, wenn von grüner Seite immer darauf hingewiesen wird, dass sogar in den USA, dem Mutterland des kalten Neoliberalismus, die Vermögensbesteuerung höher ist als in Österreich. Ohne dazuzu-sagen, dass im Gegenzug die Einkommensbesteuerung wesentlich niedriger ist.

Vielleicht sollte Stadtrat Ellensohn bei Gelegenheit einen Blick auf die heimische Steuerstruktur werfen. Dass auf der einerseits 45 Prozent der Steuerpflichtigen keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlen, andererseits aber rund fünf Prozent der Einkommensbezieher rund 40 Prozent der Steuerleistung erbringen dürfen. Ist das aus grüner Sicht gerecht? Seit 1989 wurde die Grenze, ab der der Spitzensteuersatz von 50 Prozent zur Anwendung kommt - damals umgerechnet knapp 51.000 Euro - nicht mehr erhöht. Hier müssen wir ansetzen, um die Leistungsträger in diesem Land wieder zu motivieren, die letztendlich unseren Sozialstaat erhalten. Julius Meinl ist jedenfalls der falsche Einstieg in die notwendigen Steuerreformdebatte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.9.2007)