Der Terrorist der einen Seite ist bekanntlich der Freiheitskämpfer aus Sicht der anderen. Bei aller Objektivität sollte man trotzdem nicht die Kreuzzüge, den Kolonialismus oder das US-amerikanische Imperialdenken als Wurzel allen Übels bis hin zu Al- Kaida herausanalysieren. Anschläge und deren Planung sind vollzogener oder versuchter Massenmord. Der Verzicht auf klare Schuldzuweisungen ist bereits den Opfern gegenüber frivol.

Die individuelle Schuld einer kleineren oder größeren Gruppe von Fundamentalisten wird jedoch in Sekundenschnelle zur Pauschalschuld einer Weltreligion. Besonders in Österreich. Kaum ist eine Terrorzelle aufgetaucht, wittern Fremdenfeinde ihre Chance. Spätestens seit dem 11. September 2001 lassen sich Vorurteile gegen Menschen aus einem fremden Land perfekt mit jenen gegenüber fremden Religionen kombinieren. Irgendwann in naher Zukunft wird der Antiislamismus größer sein als der Antisemitismus.

„Daham statt Islam!“ als Parteislogan verführt dabei zur Ansicht, dass es sich um altbekannte Propaganda der FPÖ und seit Kurzem des BZÖ als Nutznießer handelt. Das wahre Problem ist, dass die gesellschaftspolitische Gefahr der Fremdenfeindlichkeit mittlerweile wenig bis nichts mit der blau-orangen Kernklientel zu tun hat. In der Politikwissenschaft belegen das Focus-Groups als moderierte Gesprächsrunden: Da sitzt beispielsweise ein bürgerlicher Städter, der sein liberales Mäntelchen zur Schau trägt. Nach einer halben Stunde behauptet dieser ÖVP- oder nicht selten Grün-Präferent zu sein.

Zur Sozialpolitik leiert er brav pseudosoziale Sprüche herunter. Dasselbe gilt für den Arbeiter und SPÖ-Anhänger, der etwas deftiger formuliert. Nur beim Ausländerthema kippt jeweils die Stimmung, und der Forscher im Nebenzimmer ist fassungslos. Da fallen Aussagen, die von ihrem versteckten Inhalt her Heinz-Christian Strache bei einer Marktplatzrede womöglich zu gewagt wären.

Das Teuflische ist der durchaus sympathische Tonfall und eine verklausulierte Wortwahl als Unterscheidung zu Strache. Stets wird betont, dass sich Radikalforderungen von Abschiebung bis Überwachungsstaat nur gegen einen minimalen Teil der Ausländer richten sollten. Dummerweise scheint nach dem Volksmund der meisten roten, schwarzen oder gar grünen Wähler dieser Teil ausnahmslos in Österreich zu leben.

Das bedeutet, dass eine latent fremdenfeindliche Kommunikation der Politik nicht allein für FPÖ und BZÖ zum Punktesammeln dient. ÖVP und SPÖ und theoretisch auch Grüne müssen bei strategischer statt ethischer Überlegung genauso auf den fahrenden Zug aufspringen. Rund zwei Drittel der Österreicher vertreten in den Bereichen Asylpolitik und Integration klare Mitte-rechts-Standpunkte, obwohl nur knapp über 50 Prozent Mitte-rechts-Parteien wählen.

Hinzu kommt, dass Fremdenfeinde quer durch alle Lager sich nicht einordnen lassen. Auf keinen Fall handelt es sich nur um Ewiggestrige oder offenkundige Rassisten. Es sind auch keine Modernisierungsverlierer, die sich in seinen Arbeits-, Wohn-, und Finanzverhältnissen furchtbar benachteiligt fühlen und Ausländer und/oder Andersgläubige zum Schuldigen machen.

Im Grunde handelt es sich um Unkundige, deren Meinungen von Wissen über den Koran unbeeinflusst sind. Viele kennen nicht einmal Moslems. Authentische Bezugspunkte mit islamischen Ländern beschränken sich auf Sonne, Strand und Meer plus Alkohol in einem türkischen Hotel. Halbgebildete haben zusätzlich ein paar Fachausdrücke über den Islam vom Lesen Karl Mays aufgeschnappt. Da waren meist Sunniten gut und Schiiten böse, doch im Grunde alle im Vergleich zu den heldenhaften Deutschen minderwertig.

Es klingt banal und ist kurzfristig keine Lösung: Doch Langzeitprogramme gegen Terror und Antiislamismus sind nicht in der Sicherheitspolitik, sondern allein in der Bildung zu finden. Vielleicht wäre Religion als Pflichtfach in Schulen und in der Erwachsenenbildung ein Anfang. Nicht für den eigenen Glauben natürlich, sondern über fremde Glaubensbekenntnisse. (DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.9.2007)