Zirp, zirp! Harf, harf! Joanna Newsom gastierte mit ihrem kammermusikalischen Sarah-Kay-Folk im WUK.
Foto: Newald
Wien – Salvador Dalí hat als Bewunderer der Marx Brothers einem davon, Harpo Marx, einst eine Harfe herstellen und sie ihm ins ferne Los Angeles schicken lassen. Und zwar deshalb, weil Harpo – der Name verrät es – in jeder Produktion eine Szene hatte, in der er Harfe oder ein harfenähnliches Ding spielte. Bespannt war Dalís Geschenk mit Stacheldraht. Harpo, auch im richtigen Leben keine Trauerweide, soll so lange darauf gespielt haben, bis seine Finger blutig waren.

Blut floss im WUK bei der Österreichpremiere von Joanna Newsom keines, oder wenn, dann Herzblut wie wohl bei der Mehrheit im Saal. Seit sich die US-Amerikanerin als radikalste Vertreterin des "Neo-Folk" daran machte, ihre ätherischen Weisen mit einer Harfe zu untermalen, ist diese im Pop quasi salonfähig geworden.

Hilfreich bei diesem "Siegeszug" war, dass Newsom für ihr Album "Ys" prominente Unterstützung bezahlen konnte. An den Reglern saß Steve Albini, der Alben für Nirvana, die Pixies und viele mehr aufgenommen hat, dazu Grenzgänger wie Jim O’Rourke sowie Van Dyke Parks. Jener Visionär, der mit Brian Wilson das Album Smile produzierte, an dem die Beach Boys beinahe zerbrochen wären, weil es damals zu extrem erschien.

Versammelt man derlei Berühmtheiten um ein Projekt, schafft das mediale Aufmerksamkeit. Das Ergebnis, dem diese drei Maestros samt Orchester und unter der Aufsicht von Joanna Newsom zuarbeiteten, brachte sie nun in gruppenreisentauglicher Kleinstform live zur Aufführung.

Heruntergebrochen auf ein Quartett mit einer Geigerin, einem Mandolinisten sowie einem tendenziell unterbeschäftigten und deshalb Zeit für die zweite Stimme findenden Schlagzeuger, nahm Newsom an der Harfe Platz und entführte ihr Publikum in den Grenzbereich zwischen Pop und Kammermusik.

Kein einfaches Unterfangen und bei über die Zehnminutengrenze reichenden Stücken nicht selten auch eine Geduldsprobe – erschwert durch den Umstand, dass Newsoms Gesang so klingt, als hätte sich Daisy Duck in einem mit Sarah-Kay-Tapeten verkleideten Schmollwinkel des Mikrofons bemächtigt. Wohlwollend muss man Newsom zugestehen, dass sie ihre Musik live so radikal umsetzt wie sie gedacht ist, und ihre oft geschwätzig länglichen Stücke ohne Abstriche verabreichte.

Des einen Freud, des anderen Leid. Denn die gezupften Etüden, behübscht von Geigentupfern und da und dort beigesteuerten Schlagzeugstreicheleinheiten, erschienen bald gleichermaßen vorhersehbar wie narkotisierend. Und waren sie das nicht, dann nur, weil die Meisterin im Alleingang durch ein Stück harfte. Eine dem entgegenarbeitende Dramatik oder Dynamik ließ dieses seltsame Quartett vermissen. Andererseits: keine Schönheit ohne Schmerz. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe,18.09.2007)