Die Parteispitze ist blamiert, die Fraktion gespalten, Joschka Fischers Erbe verspielt. Als potenzieller Koalitionspartner gilt die Ökopartei weniger denn je.

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Außerhalb von Nordrhein-Westfalen hat man von Robert Zion bis vor kurzem wenig gehört. 41 Jahre ist er alt und Umweltsprecher der Grünen in Gelsenkirchen. Doch nun wurde er auch noch zu einem berühmten Aktivisten der deutschen Grünen - und zum Alptraum für deren Führung.

Zion hat ein Beben ausgelöst, von dem sich die Grüne Spitze lange nicht erholen wird: Auf einem von ihm initiierten Sonderparteitag in Göttingen untersagten die Delegierten der Bundestagsfraktion, im Oktober der Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr (ein gemeinsames Votum über ISAF-Mission und Tornado-Einsatz) zuzustimmen. Damit stellte sich die Basis gegen einen Vorschlag der Partei- und Fraktionsspitze, die den Mandataren bei der Abstimmung freie Hand lassen wollte. "Die Partei funktioniert halt noch", konstatierte Zion nach der Ohrfeige für die Führung.

Göttingen gegen Gelsenkirchen, das ist Brutalität. Denn die Schlappe zeigt, dass sich die deutschen Grünen zwei Jahre nach der Abwahl von Rot-Grün immer noch nicht gefangen haben. Dass sie nach wie vor nicht wissen, was sie wollen: Kuscheln auf der Regierungsbank oder Konfrontation in der Opposition.

Der Schock, von dem sich die Grünen bis heute nicht erholt haben, lässt sich in Zahlen messen: 8,1 Prozent bekommt die Ökopartei bei der Bundestagswahl 2005. Weniger als die FDP (9,8 Prozent), weniger sogar als die erstmals angetretene Linkspartei (8,7 Prozent). Kaum hat man sich mühsam an den Gedanken gewohnt, nur noch kleinste Oppositionspartei zu sein, gibt das Grüne Alphatier Joschka Fischer auf und zieht sich als Gastprofessor an die US-Universität Princeton zurück.

Fischer hinterlässt ein Vakuum, das nicht einmal fünf Leute zu füllen vermögen. Das Grüne Gesicht sein wollen seither die beiden Parteichefs Claudia Roth und Reinhard Bütikofer sowie die Fraktionschefs Renate Künast und Fritz Kuhn. Und der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin ist auch der festen Überzeugung, dass auf ihn noch ein höheres Amt wartet als das des Fraktionsvizes. Einer belauert eifersüchtig den anderen.

Auch thematisch ist es schwierig, die Grünen finden kein zündendes Thema. Um die Umwelt kümmert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich und auf vielen Politikfeldern können die Grünen bei ihrer Kritik nicht so bissig sein wie die anderen beiden Oppositionsparteien, da sie ja sieben Jahre zuvor selbst in der Regierung saßen und somit des öfteren eigene Beschlüsse zerlegen müssten.

Und dann zerstritt sich die Grüne Spitze auch noch bei der Afghanistan-Frage - einem Thema, das wie kein anderes die pazifistischen Wurzeln der Grünen berührt. Kuhn, Künast und Bütikofer sind dafür, die Bundeswehr unter ISAF-Führung und die sechs deutschen Tornados in Afghanistan zu belassen, Roth und Trittin wollen die Tornados abziehen. Und diesmal ist da kein Joschka Fischer mehr, der den Delegierten einhämmert, dass Afghanistan die Deutschen auch militärisch braucht und somit (wie im Jahr 2001) einen ganzen Parteitag herumreißt.

Fundamental zurück

Mehrheitlich will die Basis, auch aus Frust über ihre Führung, zurück zur Fundamentalopposition. Fischers Erbe, sein Einsatz für Afghanistan, rot-grüne Beschlüsse - das alles zählt nicht mehr. In der Fraktion herrschte am Montag Ratlosigkeit. Die einen wollen nun gegen die Verlängerung des Mandats stimmen, die anderen dafür .

Als Koalitionspartner nach 2009 hat das Votum die Grünen nicht attraktiver gemacht. "Sie führen sich zurück in eine illusionäre Politik", schimpft SPD-Fraktionschef Peter Struck und FDP-Chef Guido Westerwelle ätzt: "Wer bei der Union nach diesem Grünen-Parteitag immer noch Schwarz-Grün will, dem wünsche ich viel Vergnügen." (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2007)