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Mörder, Kinderschänder, kahle Bäume - frostig war's im Kieler "Tatort" am Sonntag. Doch um 21.45 Uhr, zur "Sabine Christiansen"-Zeit, kam in der ARD endlich Anne Will mit ihrer neuen Talkshow und schon war man mittendrin in der medialen Wärmestube. Braun, ocker und orange das Studio, eine deutliche Abgrenzung zur Vorgängerin in der blauen Kugel. Will startet ihren ersten Talk "Rendite statt Respekt: Wenn Arbeit ihren Wert verliert" auch gleich mit Neuem: Bei ihr sitzt eine Frau, die im Callcenter fünf Euro verdient und kaum über die Runden kommt. Das tut der Sendung gut, erdet sie.

Ihre vier prominenten Gäste befragt Will souverän und routiniert. Sie hakt nach, wenn SPD-Chef Kurt Beck sich ziert, sie korrigiert Jürgen Rüttgers (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, mit feinem Lächeln. Dennoch: Die Gästeauswahl muss noch besser werden, man hofft fürs nächste Mal auf weniger Wärmestube. Denn Telekom-Chef René Obermann, der offenbar das "böse Kapital" geben soll, schaltet sich gleich selber aus, indem er erklärt, die Telekom zahle weit mehr als die diskutierten Mindestlöhne. Und wer würde schon Bischöfin Margot Käßmann widersprechen, die vom Wert des Menschen redet?

Also spricht man mehr hinter- statt miteinander, ein echtes Streitgespräch brechen nur die Politiker vom Zaun - aber das kennt man ja. Spätestens da beschleicht einen, bei allem Wohlwollen, doch die Frage: Wie hätte es wohl Günther Jauch gemacht? Aber der wollte ja nicht. (bau/DER STANDARD; Printausgabe, 18.9. 2007)