Wien - Folder, Plakate, Homepage, Aufkleber, Hör-CD und eine Vielzahl an Veranstaltungen - die Grünen haben am Dienstag ihre 50.000 Euro teure Klimakampagne "Energiewende 2020"gestartet. Neu dabei ist nicht nur, dass die Aktion bis ins Jahr 2010 durchgezogen wird. Im Gegensatz zu früheren Kampagnen läuft diese nicht nur im Bund, eingebunden sind auch die Länder und Gemeinden. Die Kampagne wird außerdem Teil der Werbung bei den kommenden Wahlgängen sein.

Klimaschutz, Klimawandel - die Grünen setzen auf ihr ewiges Kernthema Umwelt.

Zu Recht? "Back to the roots", nennt das der Politologe Peter Filzmaier und sieht die Grünen in einem Dilemma. "Sie können das Thema schon aus internen Gründen nicht klein behandeln", sagt er. Und es stelle sich die Fragen nach Alternativen, welche "aber auch nicht so toll aussehen". Die müsste in den Bereichen Soziales oder etwa Bildung gefunden werden, wo es "ja mindestens die gleichen Hinkebeine gibt".

Ähnlich argumentiert Filzmaiers Kollege Anton Pelinka: "Die Grünen können es sich nicht leisten, diesen Bereich auszulassen. Sie müssen aber auch andere Themen spielen. Sie brauchen also einen Mix. Das Problem ist: Wirklich Neues bietet sich nicht an."

Ein Nachteil des Klimaschutz-Themas liegt in der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung: Das Thema sei mittlerweile "Mainstream", polarisiere nicht mehr, findet Filzmaier. Und das nutze eher der Regierung, denn: "Was will man mehr? Jeder ist dafür."

Der Markt- und Sozialforscher Werner Beutelmeyer vom Linzer market-Institut sieht beim Klimaschutz keinen Alleinstellungsfaktor mehr: "Profil gewinnen kann man damit kaum - außer wenn man George W. Bush heißt."

62 Prozent der Bevölkerung fordern laut einer market-Studie vom März, dass Österreich zum Klimaschutz auf erneuerbare Energien umstellt. Somit sei es ein zweischneidiges Schwert, wenn eine Oppositionspartei mit einem Thema zu erfolgreich würde, sagt Beutelmeyer: "Von Mitte der Siebzigerjahre bis Mitte der Achtziger jahre hat die Umweltbewegung alle Öko-Themen von Gewässerschutz über Energie bis Luftreinhaltung gepredigt - und gerade als sie damit ins Parlament gekommen sind, wurde das Thema auch von der Wirtschaft aufgegriffen und quasi neutralisiert."

So wie damals "grüne" Lacke, "grüne" Waschmittel" und "grüne" Verpackungen auf den Markt gedrängt haben, können Unternehmen heute mit Klimaschutz punkten, sagt Beutelmeyer. So ist der Kohlendioxidausstoß für die Marketingabteilungen von Automobilfirmen ein Thema - und könnte es auch für alle möglichen politischen Themen werden: "Vielleicht bekommt die Steuerreform eine 'Klima'-Komponente und wird dafür trotz geringeren Umfangs leichter akzeptiert?"

Und das, obwohl das Grün-Thema nur aufgesetzt bliebe.

Die Grünen hätten zwar die Themenführerschaft, sagt Pelinka, "es fehlt die Trennschärfe". Die beiden Großparteien seien "grundsätzlich auch auf den Zug aufgesprungen; nur etwas weniger ,grün'". Dazu komme, ergänzt Filzmaier: "Wenn die Grünen regieren wollen, müssen sie bei den über 50- und 60-Jährigen punkten. Genau dort ist das aber kaum ein Thema."

Bei den Bundes-Grünen verteidigt man naturgemäß den Kurs. Die Themenlage könne Wahlpräferenzen entscheidend beeinflussen, heißt es. Umfragen bestärken die Grünen. Für die eigene Klientel seien beispielsweise in Tirol die Themen Umwelt und Verkehr die wichtigsten. In der Tiroler Gesamtbevölkerung ist immerhin noch der Verkehr auf Platz eins, Umwelt bleibt nur knapp hinter Soziales und Wirtschaft.

Eine Alleinstellung haben die Grünen nach market-Daten bei Menschenrechtsfragen - die sind aber nur für wenige Wähler entscheidend. (von Peter Mayr und Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2007)