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Premierminister Recep Tayyip Erdogan will das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten aufheben. Die AKP hat sich am Dienstag auf einen entsprechenden Passus für die geplante neue Verfassung geeinigt.

Foto: AP/Burhan Ozbilici
Der Kampf ums Kopftuch geht in der Türkei in die entscheidende Phase. Nachdem die regierende islamische AKP einer offenen Konfrontation jahrelang ausgewichen war, geht sie jetzt in die Offensive. Auf einer Vorstandssitzung am Mittwochabend beschloss die Parteiführung, in den Entwurf einer zukünftigen neuen türkischen Verfassung einen Passus einzuarbeiten, der verbietet, dass jemand wegen seiner Kleidung von der Hochschule ausgeschlossen werden kann.

Diskriminierung

In einem Interview mit der Financial Times sagte Premier Recep Tayyip Erdogan, das Recht auf eine Hochschulbildung dürfe nicht aufgrund der Kleidung einer Frau eingeschränkt werden. Das sei auch in keinem europäischen Land so. Er werde sich deshalb dafür stark machen, dass die Diskriminierung von Kopftuchträgerinnen aufgehoben wird.

In der geltenden Verfassung wird auf die Kopftuchfrage zwar nicht explizit eingegangen, doch hat das Verfassungsgericht Ende der 80er-Jahre aufgrund des Laizismusgebots das Tragen von Kopftüchern als Zeichen religiöser Symbole an den Universitäten untersagt. Auch jetzt befürchten die Gegner des Kopftuchs, dass andernfalls der laizistische Charakter der Hochschulen unterlaufen wird. Ein bekannter Soziologe sagte, falls das Verbot aufgehoben wird, würde der Druck auf alle Studentinnen dazu führen, dass bald nur noch Frauen mit Kopftuch auftreten würden.

Dabei geht es bei der Verfassungsreform durchaus nicht nur um das Kopftuch. Die geltende türkische Verfassung stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur Anfang der 1980er-Jahre, weshalb sich alle Parteien einig sind, dass ein demokratischeres Grundgesetz dringend notwendig ist. Die AKP hat deshalb eine Kommission, der auch Professoren angehören, die nicht Parteimitglieder sind, eingesetzt, um einen Entwurf erarbeiten zu lassen. Der soll nun kommende Woche der Öffentlichkeit präsentiert werden. Im Parlament muss sich die AKP um Zustimmung aus anderen Parteien bemühen, da sie selbst über keine Zwei-Drittel-Mehrheit verfügt.

"Nur weil die AKP uns von der Verfassung der Militärs befreit, darf sie uns nicht eine AKP-Verfassung aufdrücken", schrieb gestern der Kolumnist Mehmet Ali Birand. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, DER STANDARD, Print, 20.9.2007)