Die Explosion in einem Wohnviertel führte den Libanesen, die im Vorjahr den Krieg zwischen der schiitischen Hisbollah und Israel durchlebt hatten, erneut vor Augen, dass ihr Land auch 17 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges weit davon entfernt ist, ein stabiler Staat zu sein.
Politische Verbündete des getöteten Politikers interpretieren das Attentat als Versuch ihrer Gegner, die Wahl „mit Bomben zu entscheiden“. „Das ist ganz eindeutig ein Attentat, mit dem man versucht, die Zahl der anti-syrischen Abgeordneten im Parlament zu reduzieren und dadurch die Präsidentenwahl zu blockieren“, sagte Antoine Sahra, ein Abgeordneter der Mehrheitsfraktion. Denn Ghanem ist nur einer in einer inzwischen langen Kette von anti-syrischen Politikern, die in den vergangenen drei Jahren umgebracht wurden. Der prominenteste von ihnen war der frühere Premier Rafik Hariri, der im Februar 2005 in Beirut bei einem Attentat starb.
Parlamentspräsident Nabih Berri, der dem gemäßigten Flügel der von der Hisbollah angeführten pro-syrischen Opposition angehört, hat zwar für kommenden Dienstag eine Sitzung einberufen, bei der die Abgeordneten den Nachfolger von Staatspräsident Émile Lahoud wählen sollen. Doch schon vor dem Attentat war nicht klar, ob eine korrekte Wahl überhaupt zustande kommt. Laut libanesischer Verfassung müssen bei der ersten Wahlrunde zwei Drittel der Abgeordneten anwesend sein. Die anti-syrische Fraktion verfügt aber nur über eine knappe einfache Mehrheit.
Bisher kandidieren für den Posten, der nach dem libanesischen Proporzsystem nur an einen maronitischen Christen gehen muss, drei Kandidaten aus dem Siniora-Lager: Die Präsidentenwitwe Nayla Moawad, der Abgeordnete Butros Harb sowie der Ex-Abgeordnete Nassib Lahoud – ein Cousin des amtierenden Präsidenten, der 2004 mit Hilfe Syriens im Amt bestätigt worden war.