Wien - Der Rechnungshof (RH) hat im Nachhinein herbe Kritik am Verkauf der Austria Tabak an den britischen Gallaher-Konzern 2001 geübt. In seinem am Mittwoch veröffentlichten Abschlussbericht bemängelt er, dass ein späterer Verkauf womöglich sinnvoller gewesen wäre und dass sich davor nicht um ein Bewertungsgutachten bemüht habe. Außerdem deuteten die Prüfer an, dass die Aufsichtsräte nicht nur nicht ausreichend vorinformiert, sondern sogar über die tatsächliche Lage getäuscht worden seien. Zudem sei auch ein Vorstand gegen die gewählte Vorgangsweise gewesen.

Ein Vorstandsmitglied habe dem Aufsichtsrat "zunächst eine Privatisierungsvariante vorgeschlagen, von deren Eignung es offensichtlich selbst nicht überzeugt war", hieß es im Bericht. Die Entscheidung, den Verkauf der Aktien der Austria Tabak vorzuverlegen, erschien dem RH "nicht hinreichend begründet; der niedrige Kurs der Austria Tabak-Aktien hätte eher für den ursprünglich vorgesehenen Termin im Jahr 2002 gesprochen". Unterlagen zur Vorbereitung der Aufsichtsratsmitglieder seien der Einladung zur entscheidenden Sitzung - entgegen der gesetzlichen Verpflichtung - nicht angeschlossen gewesen.

Einschätzungen des Vorstands

Nach Ansicht des Rechnungshofs waren außerdem "der in der Sitzung vorgelegte Bericht und der Verkaufsantrag derart abgefasst, dass bei den Aufsichtsratsmitgliedern der unzutreffende Eindruck entstehen musste, es lägen mehrere verbindliche Angebote vor". Der Vorstand habe zu Beginn der Sitzung mitgeteilt, dass die nicht zum Zug gekommenen Bieter nicht genannt werden könnten, weil es sich dabei um börsenotierte Unternehmen handle. Dadurch habe der Aufsichtsrat nicht erkennen können, dass Gallaher zwei Tage vorher als Einziger ein verbindliches Angebot gelegt hatte. Für die Ausübung der aktienrechtlich vorgeschriebenen Kontrollfunktion des Aufsichtsrates reiche es außerdem "nicht aus, dass sich dieser ausschließlich auf die Darstellungen und Einschätzungen des Vorstandes verlässt".

Die ÖIAG und die Austria Tabak hatten davor den Veräußerungserlös auf Basis des aktuellen bzw. in naher Zukunft zu erwartenden Börsenkurses auf 416 Mio. bis 538 Mio. Euro geschätzt. Tatsächlich erlöste die ÖIAG für ihre 41,13 Prozent-Beteiligung 769,22 Mio. Euro. Nach Meinung des Rechnungshofes wäre zur Ermittlung eines Richtwertes zur Angebotsbeurteilung dennoch das Einholen von Bewertungsgutachten erforderlich gewesen. Die ÖIAG rechtfertigte sich damit, dass sie als Minderheitseigentümer keinen Anspruch auf die dafür erforderlichen Firmendaten gehabt hätte. Antwort des Rechnungshofs: Der ÖIAG-Vorstand hätte es zumindest versuchen sollen.

Unpräzise Formulierungen

Im Kaufvertrag hätte die Staatsholding schließlich die ÖIAG Gallaher zu guter Letzt auch noch weitergehendere Standortgarantien abringen können. Die vereinbarte "Erhaltung der maßgeblichen Leitungs- und Steuerungsfunktionen für den Standort Österreich sowie Beibehaltung der Firma 'Austria Tabak' und eine weitestgehende Sicherung der Beschäftigung in Österreich" seien relativ unpräzise formuliert und nur durch einen Businessplan sichergestellt worden. "Zumindest die Vereinbarung einer laufenden Informationsverpflichtung hätte dazu beitragen können, periodische Stellungnahmen über die Umsetzung der beabsichtigten Maßnahmen zu erhalten", so der Rechnungshof. Offenbar sei für die ÖIAG "die Erzielung eines möglichst hohen Verkaufserlöses im Vordergrund gestanden".

Zum selben Schluss kam der Rechnungshof auch bei der Beurteilung des Verkaufs der VA Tech an den Siemens-Konzern. Hier sei "schon frühzeitig absehbar gewesen, dass die Einheit des Unternehmens nach Übernahme und Integration in den Siemens-Konzern nicht gewahrt bleiben und sich auch das Ziel der Erhaltung der österreichischen Arbeitsplätze als nicht haltbar erweisen werde". (APA)