In die Abenddämmerung der Ära Bush tritt nun ausgerechnet eine Lichtgestalt aus dem alten Europa. US-Kommentatoren und Politiker können derzeit gar nicht genug kriegen von Nicolas Sarkozy, dem französischen Staatspräsidenten und politischen Grundsatzredner an sieben Tagen in der Woche: Arbeiten und Geld verdienen ist jetzt okay in Frankreich; Minister, die moraltriefende Weltanalysen schreiben und Gedichtbände herausgeben sind out; Klartext mit Teheran zu reden ist dagegen Ehrensache.

Seit Nicolas Sarkozy im Sommerurlaub mit George W. Bush im Motorboot saß und ein paar Kurven vor der Küste vor Maine drehte, hat sich Frankreichs Außenpolitik gewendet, so lautet die Lesart: mit einem Mal verständnisvoll gegenüber den USA und klarsichtig gegenüber den Herausforderern des Westens - dem Iran zuallererst, aber auch Syrien, China, Putins Russland. Sarkozy, so wird gern geplaudert, sei überdies eigentlich ein "Américain manqué", einer, der, so vielen Weltkriegs-biografien aus Europa folgend, als Sohn einer griechisch-jüdischen Mutter und ungarischer Landadliger auf der Flucht vor den Kommunisten eher in New York als in Paris gelandet wäre.

Sehr viel plausibler ist, dass sich Frankreichs neuer Staatschef sehr genau Personal und Themen auf der internationalen Bühne angesehen hat und kalkulierte, wie und wo er sein Land wieder ins Spiel bringen kann. Tony Blair ist weg, George W. Bush im Gehen, Angela Merkel hat, wie sich Sarkozy ausdrückte, "von ihrem ersten Tag an eine Schwierigkeit", nämlich die große Koalition mit den Sozialdemokraten ("Ich kann schneller vorangehen."). Erstmals seit Charles de Gaulle und François Mitterrand hat Frankreich wieder die Chance, Führungsstärke zu markieren und dies - wenn geschickt arrangiert - auf Jahre hinaus. Der Iran ist so etwas wie das Streitross, auf dem Sarkozy durch die Arena reitet und Gefolgschaft sammeln will.

"Ich habe entdeckt, dass er 20 Jahre lang ausbrütete, was er täte, wenn er Präsident werden würde. Seine Vorstellungen sind klar, bis in die Details", sagte Jean-David Levitte, Frankreichs früherer Botschafter in Washington zu Zeiten der "Freedom fries" und anderer antifranzösischer Albernheiten in den USA während des Irakkriegs. Levitte ist nun einer von Sarkozys außenpolitischen Beratern im Elysée-Palast. Für den Vorgänger im höchsten Amt fand er nur harte Worte: "Chirac verbrachte Jahre damit, zu planen, wie er Präsident werden könnte, doch als er dann Präsident wurde, blieb ihm nur ein verschwommenes Programm."

Sarkozys Programm hat zumindest eine klare Richtung, eine sehr an de Gaulle erinnernde Maxime, "Frankreichs Rang in der Welt wiederherzustellen" nach den Jahren der Stagnation und einer als "steril" empfundenen Opposition Jacques Chiracs gegenüber den USA. Der Inhalt von Sarkozys neuer Außenpolitik, die wirkliche Substanz seiner Annäherung an die USA sind nach vier Monaten im Amt aber noch nicht recht abzuschätzen. Vieles deutet auf eine Wende zum Realismus hin und auf eine nüchterne Bewertung dessen, was Frankreich international erreichen kann - wenn es nur will.

Sarkozys Rastlosigkeit und sein Hang zu verbalen Schnellschüssen - beides Eigenschaften, die er mit seinem Außenminister Bernard Kouchner teilt - haben der französischen Diplomatie in den vergangenen Wochen allerdings geschadet und werden ihr, wenn nicht korrigiert, auf lange Sicht wieder das entscheidende Gewicht nehmen: ihre Glaubwürdigkeit.

Der schnelle Mann aus dem Elysée-Palast kämpft jedoch nicht nur mit seinen eigenen Fehlern. Die Annäherung an die Bush-Regierung - so kalkuliert sie sein mag - ist den Franzosen nur sehr schwer zu verkaufen. Sarkozy und seine Diplomatenriege bemühen sich deshalb auch, die weiter bestehenden Differenzen mit den USA zu betonen: Der Irakkrieg bleibt weiter ein Fehler, die Verweigerungshaltung gegenüber dem Kioto-Protokoll und dem Internationalen Gerichtshof ebenso. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.9.2007)