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Reinhold Messner im Mountain Museum. Das Gipfelplateau des Monte Rite auf über 2000 Meter Seehöhe bietet einen überwältigenden 360-Grad-Rundumblick auf die Gipfel der Dolomiten. Hierher, ins "Museum in den Wolken", gelangt der Besucher zu Fuß, mit dem Mountainbike oder im Jeep.

Foto: APA/EPA/Matteo Groppo

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Schloss Sigmundskron: "Aufeinandertreffen von Kontemplation, Kunst und Alpinismus".

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Nach stundenlanger Fahrerei auf engen, kurvigen Dolomitenstraßen zweigt die Route irgendwo zwischen Pieve di Cadore, dem Geburtsort Tizians, und der Olympiastadt Cortina d'Ampezzo in ein Nebental ab. In hochprozentigen Steigungen und sechs Kehren erreicht der Autofahrer, umschwirrt von Motorradkolonnen, den Passo Cibiano auf 1530 Meter Seehöhe.

Hier beginnt eine sieben Kilometer lange Schotterstraße, auf der es drei Möglichkeiten des Weiterkommens gibt. Die sportlichste ist die mit dem Mountainbike, auf festem Untergrund und gerade noch zu bewältigender Steigung. Langweiliger ist der Fußmarsch, für den es allerdings Alternativwege abseits der Straße gibt. Und für die Eiligen besteht ein Shuttleservice mit Jeeps und geländegängigen Kleinbussen. Diese Bequemvariante verhindert freilich etwas, das nun einmal essenziell zu jedem Bergerlebnis gehört: die langsame Annäherung an das Ziel aus eigener Kraft.

Aussichtskanzel auf 2181 Meter Seehöhe

Das Ziel ist das Gipfelplateau des Monte Rite, eine Aussichtskanzel auf 2181 Meter Seehöhe mit überwältigendem 360-Grad-Rundblick auf die imposantesten Dolomitenberge. Trotz einer Reihe von Bauwerken ist dies ein Ort, dessen Mystik sich auch angesichts sonntäglicher Menschenscharen dem hier Ankommenden unweigerlich mitteilt.

Felskolosse

Hier müssen in sagenhafter Vorzeit die "Saligen Fräulein", von Wolkenschleiern umhüllt, ihre Tänze vollführt haben. Bedrängt von dreisten Riesen haben sie diese dann in Felskolosse verzaubert, und da stehen sie nun: der Monte Schiara, der Monte Agnè, der Cimon della Pala, die Drei Zinnen, der Monte Pelmo und der Antelao. Klingende Namen für Bergsteiger und Kletterer, die aber auch die Augen von Nicht-Alpinisten zum Leuchten bringen.

Dass solch ein Ort nicht nur Naturbegeisterte anlockte, sondern auch jene, die aus Bergen Kriegsschauplätze machten, zeigte sich am Vorabend des Ersten Weltkriegs, als auf diesem strategisch bevorzugten Punkt die Italiener ein Fort errichteten. Es wurde von den Österreichern erobert und bei deren Rückzug 1918 teilweise zerstört. Im Zweiten Weltkrieg diente es italienischen Partisanen als Versteck, dann gammelte es wieder als Ruine vor sich hin, bis 1998 Reinhold Messner kam und sofort die Eignung der bizarren Anlage für sein "MessnerMountainMuseum"-Projekt erkannte.

Vier Standorte

Dieses ist mittlerweile auf vier Standorte verteilt. Schloss Sigmundskron bei Bozen vereinigt die Hauptbestände von Messners Alpinariasammlung zu einem "Aufeinandertreffen von Kontemplation, Kunst und Alpinismus", in Messners Schloss Juval im Vinschgau ist seine Tibeticasammlung zu besichtigen.

Das höchstgelegene Museum Europas

In Sulden am Fuße des Ortlers wird in einem unterirdischen Bauwerk am Rand eines Gletschers die Welt des Eises dargestellt. Und das "Museum in den Wolken" auf dem tatsächlich auch bei schönstem Wetter häufig von Nebelschwaden umwehten Monte Rite ist der Bergregion der Dolomiten gewidmet. Es ist das erste Messner-Museum außerhalb von Südtirol (das Cadore gehört zur Provinz Belluno), und es ist das höchstgelegene Museum Europas.

Dramatische Inszenierungen

Mit seinem sicheren Instinkt für dramatische Inszenierungen, mit regionalen Subventionen und EU-Förderung hat der Bergsteiger hier - in den 20 engen Kasematten und den mit Glaskuppeln überbauten Kanonentürmen - ein Panoramabild der vertikalen Welt der Dolomiten ausgebreitet: von den Bewohnern der Bergtäler bis zum Namensgeber des Gebirges, dem französischen Mineralogen D. Gradet de Dolomieu, vom fast vergessenen irischen Bergpionier John Ball, der 1857 als Erster gemeinsam mit einem Gämsenjäger den Monte Pelmo bestieg, bis zu den legendären Kletterern Innerkofler, Winkler, Dibona und Comici.

Berühmte Künstler wie Thomas Ender und E. T. Compton sind mit Dolomitenbildern aus Messners persönlicher Sammlung vertreten, und eine Bücherschau informiert über die wissenschaftliche und literarische Beschäftigung mit den Dolomiten.

Kunst und Alpinismus

Auch Aktuelles aus Kunst und Alpinismus ist dokumentiert, wie die bleichen Gipsreliefs des deutschen Konzeptbildhauers Stephan Huber oder die unfassbaren Solobesteigungen im elften Schwierigkeitsgrad der Drei Zinnen durch den bayerischen Extremkletterer Alexander Huber.

Der exponierte Ort, der bizarre Bau mit seinen steten Ausblicken auf die realen Bilder der Dolomitenberge und die konzentrierte Dichte der Exponate machen das Museum in den Wolken zum fraglos schönsten im Reigen der MessnerMountainMuseums. Das Vermarktungstalent des heuer 63-Jährigen sorgt dafür, dass es auch erfolgreich ist. Im Gästebuch hat sich auch schon die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eingetragen.

Kommendes Jahr soll dann Reinold Messners letztes Ausstellungsprojekt realisiert werden: ein Museum in Bruneck im Pustertal, das den Bergvölkern in allen Teilen der Welt gewidmet ist. (Horst Christoph/DER STANDARD/Rondo/Printausgabe, 21.9.2007)