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Der christdemokratische Wahlsieger Yves Leterme blieb bis jetzt bei der Regierungsbildung erfolglos. Seine Forderung nach mehr regionaler Autonomie in Belgien stößt auf heftigen Widerstand der wallonischen Politiker.


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König Albert II. von Belgien blickt mit sorgenvoller Miene auf die Koalitionsverhandlungen. Eine von ihm beauftragte "Forschungsmission" von erfahrenen Alt-Politikern soll einen Ausweg aus der Krise finden.


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Ein belgischer Ex-Journalist wollte Anfang der vergangenen Woche Belgien über das Online-Auktionshaus Ebay verkaufen. Der Ausgangspreis für das Angebot, das "ein Königreich in drei Teilen mit dem einzigen Nachteil von 300 Milliarden Staatsschulden" feilbot, lag bei einem Euro. Belgien bestehe aus "Flandern, Brüssel und Wallonien", hieß es in der Produktbeschreibung. Es könne als Ganzes gekauft werden, das sei aber nicht ratsam.

Hinter dieser vermeintlichen "Spaß-Auktion", die von Ebay als "unrealistisch" bezeichnet und gestoppt wurde, steckt eine handfeste politische und gesellschaftliche Krise: Seit den Parlamentswahlen vom 10. Juni dieses Jahres konnte in Belgien keine Regierung gebildet werden. Verhindert wird eine Einigung weniger durch unterschiedliche Parteiprogramme als vielmehr durch den tiefen Graben zwischen französischsprachigen und flämischen Politikern.

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Das niederländischsprachige Flandern ist die größte Region der konstitutionellen Monarchie Belgiens, vor der französischsprachigen Wallonie und der offiziell zweisprachigen Hauptstadt Brüssel. Die kleine deutschsprachige Gemeinschaft im Dreiländereck zu Deutschland und den Niederlanden ist mit ihren etwa 73.000 Bürgern politisch eher unbedeutend.

Zur Komplexität der Regierungsverhandlungen trägt zweifellos das komplizierte Wahlverfahren bei. Die politischen Parteien treten bei den Wahlen nur regional an, das bedeutet in Flandern stehen andere Parteien zur Wahl als in der Wallonie.

Forderung nach regionaler Autonomie

Die Flamen, angeführt vom christdemokratischen Wahlsieger Yves Leterme, fordern im Rahmen einer Staatsreform mehr regionale Autonomie in den Bereichen soziale Sicherheit, Steuern, Justiz, Einwanderung und Gesundheit und wollen die Finanztransfers an das ärmere Wallonien einschränken. Die wallonischen Politiker lehnen dies vehement ab. Der heftigste Widerstand kommt dabei ausgerechnet von Letermes Schwesterpartei. Die Vorsitzende der frankophonen Christdemokraten, Joelle Milquet, zeigte sich in den Verhandlungen bisher so unnachgiebig, dass sie in Flandern nur noch "Madame Non" genannt wird.

Umfrage: 50% der Flamen will Abspaltung

Zwar kommen schon seit 33 Jahren alle Regierungschefs des Landes aus dem bevölkerungsreichsten flämischen Norden des Landes, Leterme will jedoch entschlossener als seine Vorgänger die Autonomie der Regionen in Zukunft stärken. Laut einer Umfrage der flämischen Tageszeitung "Het Laatste Nieuws" unterstützt eine breite Mehrheit der Flamen den harten Kurs von Letermes. Fast jeder zweite Bewohner Flanderns sei für eine Spaltung Belgiens und zwei von drei Flamen erwarten, dass dies auch früher oder später so komme, so das Umfrageergebnis.

"Dieselben Sterne am Himmel"

Der Ministerpräsident der kleinen deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, Karl-Heinz Lambertz, sieht die Situation im Gespräch mit derStandard.at eher gelassen. Regierungsverhandlungen in Belgien seien aufgrund des außergewöhnlichen Wahlsystems traditionell etwas langwieriger. Die momentane Situation sei kompliziert, aber nicht fundamental neu. "Das sind dieselben Sterne, die am Himmel stehen, aber die Konstellation ist etwas Besonderes", so Lambertz. Die relativ knappen Kräfteverhältnisse zwischen den Parteien innerhalb der beiden Regionen sowie die Angst, "durch ein Abrücken von der eigenen Position das Gesicht vor der Wählerschaft zu verlieren", könnten durchaus zu einem Andauern und auch einer Verschärfung der Krise führen, erklärt der Ministerpräsident.

"Wer glaubt, Belgien steht vor dem Zerfall, irrt"

An ein Ende des belgischen Staates glaubt Lambertz jedoch nicht. Umfragewerten, die besagen, dass fast fünfzig Prozent der Flamen für eine Abspaltung seien, müsse man momentan "mit Vorsicht begegnen". Es könne durchaus "morgen gleich wieder ganz anders aussehen, wenn sich eine Lösung abzeichnet", so Lambertz.

Neuwahlen hält er zum momentanen Zeitpunkt für unrealistisch, seiner Einschätzung nach wird entweder ein Kompromiss gefunden oder eine Übergangsregierung gebildet werden. Wann genau ein Ende der Krise in Sicht ist, wagt er zwar nicht einzuschätzen, "wer allerdings glaubt, Belgien steht vor dem Zerfall, irrt", betont Lambertz. (APA/red)