Sarajevo/Belgrad - Die Staatsanwaltschaft in Tuzla hat
Ermittlungen gegen 170 Personen eingeleitet, denen Kriegsverbrechen
an bosnischen Muslimen in der ostbosnischen Grenzstadt
Zvornik im April und Juni 1992 vorgeworfen werden. Die Verbrechen
seien zum ersten Mal in der bosnischen Justiz als Völkermord
eingestuft worden, berichtete die Tageszeitung "Dnevni avaz" am
Freitag.
Die Ermittlungen, die in Zusammenarbeit mit der serbischen
Sonderstaatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen laufen, beziehen sich
sowohl auf direkte Vollstrecker der Verbrechen wie auch damalige
hochrangige Befehlshaber. Das UNO-Kriegsverbrechertribunal für das
ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag und ein Belgrader Gericht
hatten der Staatsanwaltschaft in Tuzla entsprechende Unterlagen zur
Verfügung gestellt.
Die Dokumente nehmen u.a. Bezug auf Verbrechen, die Milizen des
ehemaligen Belgrader Mafiabosses, Zeljko Raznatovic ("Arkan"), am 8.
April 1992 in Zvornik verübten. "Arkan" wurde 1999 vom UNO-Tribunal
angeklagt. Im Jänner 2000 wurde er in einem Belgrader Hotel ermordet.
In Belgrad läuft gerade ein Prozess gegen mehrere ehemalige
Angehörige der serbischen Territorialverteidigung und der Polizei in
Zvornik. Auch sind Ermittlungen über Verbrechen im Gange, die in
einer Mittelschule in der Ortschaft Karakaj bei Zvornik zu Beginn des
Bosnien-Krieges an Bosniaken begangen wurden. Mit einer Anklage wird
in etwa drei Monaten gerechnet. Der Prozess im Fall Karakaj soll in
der serbischen Hauptstadt stattfinden, während andere
Gerichtsverfahren bezüglich Kriegsverbrechen in Zvornik entweder in
Sarajevo oder in Tuzla anberaumt werden sollen. (APA)