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Foto: APA/Schlager
Auch wenn es manche nicht gleich kapieren, ist es doch so: Man muss dem Chefredakteur der "Presse" für seine Pflichtübung vom vorigen Samstag dankbar sein. Wo die Trennung zwischen Religion und Politik nicht existiert, bildet sich eine voraufklärerische Gesellschaft, schrieb er in seinem Leitartikel. Das war mutig, denn es wird nicht jedem katholischen Bischof dieses Landes geschmeckt haben. Und man kann es nachfühlen, wenn man bedenkt, dass einmal sogar ein Papst, Pius VI. war 's, extra nach Wien gereist ist, um Kaiser Joseph II. von seinem aufklärerischen Sündenfall abzubringen. Auch wenn man heute unter dem aufgeklärt wirken sollenden Panier des "Intelligent Design" ein wenig in die voraufklärerische Gesellschaft zurückstrebt - von den Kreationisten gar nicht zu reden -, war es ein Glück, dass dem Papst kein Erfolg beschieden war. Denn was könnte der Spätaufklärer Michael Fleischhacker heute den Muslimen entgegenschleudern, wenn nicht seinen Bannfluch Das Problem ist der Islam, hätte der Kaiser damals dem Papst gegeben, was des Papstes ist - Voraufklärung?

Er schleuderte das aber nicht nur den Muslimen entgegen, das wäre für einen Fleischhacker fast so etwas wie moralische Laxheit. Nein, nach den jüngsten Festnahmen im Umfeld des islamistischen Terrors haben jetzt wieder die halblinksgrünen Jihadistenversteher Hochkonjunktur. Das war fällig, denn: Intellektuelle, Politiker und Künstler, die Religion, solange es sich um die ehemals eigene, nämlich das Christentum römisch-katholischer Prägung handelt, für eines der gesellschaftlichen Hauptübel unserer Tage halten, fordern Ehrenerklärungen für den Islam als Friedensreligion ein.

Wo Fleischhacker die Intellektuellen, Politiker und Künstler, die das Christentum für eines der gesellschaftlichen Hauptübel halten und gleichzeitig Ehrenerklärungen für den Islam einfordern, in einer so kritischen Masse sieht, dass er ihretwegen extra zu einem Leitartikel ausholt, verriet er leider nicht. Das würde ihn auch bei der Absonderung weiterer Nebelschwaden vermutlich behindern. Denn mit dem Islam, sagen diese Leute, die einen gläubigen Landwirt jederzeit taxfrei für einen katholischen Nazi halten (die Stichworte Loden und Kirche reichen da meistens schon), habe der Terror ja nichts zu tun.

Vielleicht wimmelt es ja in der Redaktion der "Presse" von Leuten, die einen gläubigen Landwirt für einen katholischen Nazi halten, und das auch noch jederzeit und taxfrei. Andernorts geben sich solche krypto-islamistische Unholde nicht einmal dann zu erkennen, wenn man in der Rolle eines christlichen agent provocateurs probehalber die Stichworte Loden und Kirche vor sich hinmurmelt.

Ob sich dahinter schiere Dummheit oder glatter Zynismus verbirgt, ist schwer zu sagen, weil der Chefredakteur besagten Loden-und-Kirche-Feinden Verharmlosung des islamistischen Terrors vorwarf, aber nur ein paar Zeilen später meinte: Ja, das Problem ist der Islam. Nicht weil er Terroristen produziert, das tun andere Ideologien mit einem anderen oder gar keinem religiösen Unterfutter auch. Aber wo die Trennung zwischen Religion und Politik nicht stattfindet, bildet sich eine voraufklärerische Gesellschaft, in der Kritik und Selbstkritik einfach nicht stattfinden.

Sogar "Presse"-Leser dürften überwiegend dafür sein, Religion und Politik getrennt zu halten, und die Republik Österreich kommt diesem Wunsch bekanntlich seit geraumer Zeit nach. Dass in ihren Grenzen Kritik und Selbstkritik einfach nicht stattfinden, jedenfalls nicht in angemessener Weise, mag zwar gelegentlich vorkommen, wäre jedoch im Vergleich zum Terror - den andere Ideologien ebenso gut produzieren - eine relativ geringe Gefahr.

Aber mag Fleischhacker auch verkünden, das Problem ist der Islam - der wahre Feind sitzt ihm anderswo. Hinweise darauf, dass vielleicht doch die im heutigen Islam . . . de facto nicht existierende Trennung zwischen Religion und Politik ein Problem darstellt, werden von unseren halblinksgrünen Geistesgrößen gern mit Hinweisen auf die österreichische Zwischenkriegszeit quittiert: Man möge gefälligst den Mund halten, so lang sei das auch wieder nicht her. Wer schüchtern dagegen hält, dass das zwar tatsächlich nicht lange, aber eben doch vorbei sei und dabei einen kleinen Hinweis auf die Behandlung der Frauen im Islam macht, wird mit einem Kurzvortrag über die Hexenverbrennung endgültig zum Verstummen gebracht.

Leider nein. Denn nun erst holte Fleischhacker zum entscheidenden Schlag aus, gehen ihm doch die Hinweise auf das Voraufklärerische in Austrofaschismus und Inquisition, die eben doch vorbei sind, ziemlich auf die Nerven. Herr Missethon und Herr Strache sind ihm nur zwei besonders schwere Fälle von professioneller Deformation. Aber: Politiker wie Alexander Van der Bellen verschleiern gerne durch Hinweise auf Straches und Missethöne ihre vollkommene Ignoranz gegenüber dem Problem des Islam als Religion, die nicht durch das Feuer der Aufklärung gegangen ist. Glücklich das Land, das einen feurigen Entschleierer wie den Chefredakteur der "Presse" hat. (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 22./23.9. 2007)