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Baku gilt als Wiege der Erdölindustrie. Alte Bohrtürme, die von vergangenen Zeiten künden, gibt es noch immer zuhauf. Nun hat ein neuer Ölrausch eingesetzt.

Foto: AFP/Deghati
Baku, die Hauptstadt Aserbaidschans, boomt. Dank des Öl- und Gasreichtums wird gebaut wie nie. Das Gesicht der Stadt, die sich immer tiefer in die Landschaft frisst, verändert sich. Bohrgerippe künden noch von alten Zeiten. Doch auch die neue Zeit schaut ähnlich aus.

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Baku ist im Rausch, im Öl- und Gasrausch. Ein Bauboom hat eingesetzt, wie ihn die Stadt am Kaspischen Meer schon lange nicht mehr gesehen hat. Das Gesicht der im Verkehr beinahe erstickenden Millionenmetropole verändert sich im Eilzugtempo.

Neue Häuser, neue Straßen, neue Leitungen werden gebaut und gegraben. Dazwischen immer wieder Bohrtürme, die im Lauf der Jahre und Jahrzehnte zu regelrechten Bohrturmwäldern zusammengewachsen sind.

Die Schmiermittel, die den Aufschwung ölen, stammen aus dem Untergrund. Es sind Kohlenwasserstoffe. Man sieht sie, man spürt sie, man riecht sie auf Schritt und Tritt. "Erdöl und Erdgas sind die Parfums dieser Stadt, wir sind das so gewohnt", sagte Nizami Tagyjew dem Standard.

Neue Projekte

Der vor zwölf Jahren vom Land in die Stadt gezogene Tagyjew arbeitet für eine Firma, die auf Fahrtendienste spezialisiert ist. Es sind die Amocos, BP's und Statoils dieser Welt, für die Tagyjew hauptsächlich fährt. Sie geben sich in Ministerien die Klinke in die Hand. Neue Bohrlizenzen und Transportprojekte beflügeln die Phantasie der Ölmanager. Die hohen Ölpreise, die über kurz oder lang auch Gas teurer machen werden, tragen das ihre zur Goldgräberstimmung bei.

"In den Neunzigerjahren gab es eine schwere Krise, viele sind vom Land in die Stadt nach Baku gezogen, um Arbeit zu finden. Das war hart, jetzt wird es besser," sagt Tagyjew.

Aserbaidschan setzt unter Präsident Ilham Alijew voll auf Öl und Gas. War das Land in früheren Zeiten zur Gänze auf Lieferungen Richtung Russland angewiesen, stehen der Kaukasusrepublik, die flächenmäßig und einwohnermäßig mit Österreich vergleichbar ist, jetzt auch andere Optionen offen. Über die im Vorjahr eröffneten Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC) gelangt Öl aus Aserbaidschan bis zur Südküste der Türkei. Mittels Tankschiffen wird das Erdöl weiter in westliche Abnehmerländer transportiert. Auf diesen Exportwegen kann Aserbaidschan deutlich mehr Geld erlösen als auf den Pipelinesträngen Richtung Russland. Die Wirtschaft wächst schon seit einigen Jahren zweistellig. Allein im Vorjahr legte das aserbaidschanische Bruttosozialprodukt um 34 Prozent zu.

"Aserbaidschan kann die neue Pipeline auch als Druckmittel einsetzen, um von den Russen höhere Preise für seine Erdöllieferungen durchzusetzen. Und die machen das auch", sagt Hans Kausl. Als österreichischer Handelsdelegierter in Moskau betreut Kausl außer Russland noch neun weitere Länder, darunter Aserbaidschan. Ein paar Mal im Jahr schaut er in der Region vorbei, um sich am Laufenden zu halten. "Die Aseri sind stark an der Türkei orientiert und auf Europa ausgerichtet. Deshalb gibt es auch so viele türkische Firmen hier", sagt Kausl.

"Land der Flammen"

Bei Gas versucht Aserbaidschan einen ähnlichen Weg einzuschlagen wie bei Öl. Im Vorjahr war Aserbaidschan noch Nettoimporteur von Erdgas - überwiegend aus Russland. Durch Erschließung neuer Felder und Investitionen in bestehende Fördereinrichtungen will Aserbaidschan auch bei Gas in die Liga wichtiger Förderländer vorstoßen. Über eine ebenfalls im Vorjahr eröffnete neue Leitung gelangt aserisches Gas vom Boden des Kaspischen Meeres über Baku und Tiflis bis Erzurum im Nordosten der Türkei. Dort soll dieses Gas dereinst über die so genannte Nabucco-Pipeline bis nach Österreich gelangen (siehe Artikel Nabucco: Aseris an Bord).

Öl und Gas waren auf der Halbinsel Apseron, auf der die Stadt Baku liegt, schon vor Jahrtausenden bekannt. "Land der Flammen" hieß Apseron in der Antike. Grund war das aus Bodenspalten entweichende Methan, das sich entzündete, sobald es in Verbindung mit Sauerstoff kam.

Der erste Ölrausch setzte Ende des 19. Jahrhunderts ein. Damals wurden um Baku die weltweit ersten Bohrtürme und Pipelines gebaut. In dieser Hinsicht scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Hunderte alter Bohrtürme stehen, hochbeinigen, überdimensionierten Heuschrecken nicht unähnlich, in der Landschaft. Rostige Röhren bilden ein wirres Muster; manchmal münden sie in offene Kanäle. Knöcheltiefe Erdöl-Lachen schimmern dunkel in der Sonne. Die einzige helle Farbnuance, die man bei einem Blick aus dem Flugzeug erhascht, stammt von giftig-braunen Schwefeltümpeln. Der beißende Geruch bleibt zurück. (Günther Strobl aus Baku, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23.9.2007)