"Ey, Alder, was geht ab?" Lässig lehnen die türkischen Jungs am Eingang des U-Bahnhofs Kottbusser Tor, klatschen sich zur Begrüßung ab und spucken so machohaft genüsslich aus, dass sich gelegentlich in einem schlechten Gangster-Film wähnt, wer in Berlin-Kreuzberg wohnt.

In Filmen ("Herr Lehmann") und Serien ("Liebling Kreuzberg") verewigt, hinuntergeschrieben und hochgelobt: Auch Berlin-Kreuzberg polarisiert nach wie vor, weil es ein sozialer Brennpunkt ist: 23 Prozent Ausländeranteil (in Schulen 40 Prozent), das geringste Haushaltseinkommen aller Berliner Bezirke. Autos brennen in Kreuzberg öfter als anderswo, Raub und Körperbedrohung weist die Polizeistatistik am häufigsten für Kreuzberg und das angrenzende Neukölln aus.

Ungewöhnliche Wege

Diese negativen Zahlen lassen den Bezirk bei der Problembekämpfung auch ungewöhnliche Wege einschlagen. Für Furore sorgt derzeit das Projekt "Kiezläufer" (Kiez = Grätzel). Dabei sollen fünf Männer und Frauen Jugendliche wieder auf den rechten Weg bringen, die selbst früher mit dem Gesetz in Konflikt standen. Einer gehörte in den Neunziger Jahren einer berüchtigten Türkengang an. Wenngleich viele Kreuzberger über eine weitere Maßnahme zur Kriminalitätsbekämpfung froh sind - nicht alle sind der Meinung, dass ehemalige Kriminelle dafür geeignet sind.

Mobil machen auch türkische Mamas. Die "Mütter ohne Grenzen" (zwischen 25 und 60 Jahren) gehen nachts mit Taschenlampen in Hinterhöfe und fordern Drogendealer auf: "Haut ab!" Aydinlatiyoruz nennen sie ihre Aktion, das bedeutet auf Türkisch "anleuchten" und auch aufklären. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD – Printausgabe, 22./23.9.2007)