ORF-Literatursendung "les.art" richtet sich an die Zielgruppe der Nichtleser - Ausstrahlung am 1. Oktober um 23.00 Uhr
Redaktion
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Graz - "Wir stehen dazu, wir sind eine Literatursendung", entschuldigt sich Dieter Moor am Beginn des ersten Teiles von "les.art", der neuen Literatursendung des ORF, die am 1. Oktober ausgestrahlt wird, beim Publikum im Grazer Literaturhaus. Und erweckt den Eindruck, dass Lesen etwas Anormales, ja Unanständiges sei, wofür man sich eigentlich zu genieren habe. Aber um 23.00 Uhr wird ja auf anderen Kanälen auch durchaus "Unanständiges" ausgestrahlt, da darf man ruhig den Germanisten der Nation, Wendelin Schmidt-Dengler, den schreibenden Kärntner Slowenen Fabjan Hafner samt "Ossi-Autor" Thomas Brussig (Sonnenallee) und Literaturhaus-Chef Gerhard Melzer auf die Couch im 60er-Retrodesign holen, das nun auch der ORF für sich entdeckt hat.
Moor betont, dass man nicht eine dieser Literatursendungen sei, wo Männer in grauen Anzügen über Bücher sprechen. Stimmt: Brussig, der witzige Leseproben aus seinem Roman Schiedsrichter Fertig gibt, hat keinen grauen Anzug an. Und über ein bestimmtes Buch unterhält man sich nicht allzu lang. Für Nichtleser gibt es dafür Tipps: Den Essay Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat von Pierre Bayard etwa, oder ein Nachschlagewerk, in dem 500 Romane in jeweils einem Satz beschrieben werden.
Selbst Schmidt-Dengler scheint gebrieft worden zu sein, nicht unnötig in die Tiefe zu gehen. Er lässt mit bemerkenswerten Sätzen wie: "Gerade die dicken Bücher sind in der letzten Zeit recht gut" aufhorchen. Beiträge über katalanische Autoren oder Umberto Ecos Die Geschichte der Hässlichkeit trösten ein wenig. Die Rubrik Das überschätzte Buch ist originell, macht aber einen wehrlosen Autor exemplarisch nieder und hat kein Gegengewicht: eine Rubrik für Menschen, die gerne lesen.
Die Kameras waren aus, als der ehemaligen Kulturstadtrat Helmut Strobl aus dem Publikum rief: "Und wo sind die Frauen?" Vielleicht gibt es sie ja in der nächsten Sendung. Vorschlag für eine Rubrik: "Wie man feministische Bücher unauffällig entsorgt". (Colette M. Schmidt/DER STANDARD; Printausgabe, 24.9. 2007)
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