Hält eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, zu biogenen Treibstoffen für tendenziös: Biomasse-Chef Heinz Kopetz.

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STANDARD: Sie haben schon öfter angedeutet, dass Biodiesel- bzw. Bioethanol-Produktion nicht die höchsten Energieerträge ergeben. Fühlen Sie sich nach den Problemen, die das Agrana-Bioethanolwerk zwingt, stark verzögert in Vollbetrieb zu gehen, bestätigt?

Kopetz: Die Probleme in der Agrana haben andere Ursachen als Energie-Output, und die Agrana hat richtig entschieden, indem sie den Betrieb hinausschiebt, weil momentan eine Knappheit bei Getreide besteht, etwa weil die EU-Produktionsbeschränkungen zu spät gelockert wurden. Es ist anzunehmen, dass sich das mit Flächenausweitung und Aufhebung der Flächenstilllegungen entspannt.

STANDARD: Die grundsätzliche Kritik an Ethanol und Biodiesel teilen Sie also nicht?

Kopetz: Nein. Man darf Ethanol und Biodiesel nicht nur als Biotreibstoff sehen, sondern muss auch bedenken, dass es ein Verfahren zur Gewinnung von Eiweißfuttermittel ist. Meine Hinweise bezogen sich immer darauf, dass diese beiden Verfahren Koppeleffekte haben. Also Energieerzeugung und Eiweißfuttermittel, ein Ersatz für Sojaimporte. Es ist daher logisch, dass die Energieerträge pro Hektar geringer sind als bei Verfahren, bei denen die gesamte Pflanze zur Energienutzung verwendet wird, etwa bei Biogas. Ein Faktor, der an Bedeutung gewinnt, ist, dass ein Mindestmaß an erneuerbaren Treibstoffen in Europa erzeugt werden sollte, damit die EU im Treibstoffbereich nicht zur Gänze von fossilen Importen abhängt.

STANDARD: Eine kürzlich erschienene OECD-Studie zu Biosprit sieht das anders. Die Erzeugung von Biosprit kann in tropischen Ländern viel effizienter bewerkstelligt werden.

Kopetz: Diese Studie ist extrem einseitig, und die Schlüsse sind zu 50 Prozent nicht richtig. Es wird darin kritisiert, dass Getreide gedüngt wird und dass das zur Versauerung der Böden führt. Das ist unsinnig, weil bei jedem Anbau gedüngt wird.

STANDARD: In der Studie wird auch das große Versprechen von biogenen Energien hinterfragt, dass sie den Klimawandel nicht beschleunigen. Die OECD-Studie sagt, dass gar nicht viel, nur 40 Prozent, gegenüber fossilen Energien eingespart werden kann.

Kopetz: Auch da vergleicht die OECD Äpfel mit Birnen. Offensichtlich hat sie bei Fossilen nur die Treibhausgasemissionen herangezogen, die bei der Verbrennung entstehen - und die Emissionen, die bei der Erdölförderung, der Verarbeitung und dem Transport entstehen, weggelassen. Bei Biotreibstoffen wird dagegen die ganze Produktionskette mit einberechnet. Das ist tendenziös, wie die ganze Studie.

STANDARD: Trotzdem. Es ist doch interessant, dass Sie, also Ihr Verband, auf österreichischer und auf EU-Ebene mittlerweile nicht CO2-Reduktion, sondern Versorgungssicherheit betonen.

Kopetz: Unser Verband sagt, dass wichtigstes Ziel sein muss, möglichst viel CO2 zu reduzieren. Daraus ergibt sich, dass man Verfahren wählen muss, bei denen möglichst hohe Erträge je Hektar erzielt werden können. Und dass die Primärenergie möglichst effizient in Endenergie wie Strom, Treibstoffe oder Wärme umgewandelt werden muss. Das führt dazu, dass die erste Priorität auf Biomasse zur Wärmeerzeugung gelegt werden muss, gefolgt von Stromerzeugung unter Nutzung der Abwärme. Und erst dann kommt bei diesem Kriterienraster die Biosprit-Produktion. Wir haben nie gesagt, dass man mit Biosprit so viel erreichen kann, wie der EU vorschwebt. Die Versorgungssicherheit ist es, was bei Biosprit zählt.

STANDARD: Und obwohl klar ist, dass Biosprit in der EU nie auf Eigenversorgung beruhen kann, wird der Markt abgeschottet? Ist das vernünftig?

Kopetz: Dies sollte für den Aufbau einer so sensiblen Produktion wie Bioethanol gelten. Dies ist ein ureigenes Interesse der EU, auch wenn dies der Welthandelsphilosophie einer totalen Liberalisierung zuwiderläuft. Aber natürlich, Biotreibstoffe in Europa haben ihre Tücken. Bei den Rohstoffen für Bioethanol (stärke- und zuckerhaltige Pflanzen, Anm.) kann innerhalb der EU genug produziert werden, sodass wir die Beimischungsverpflichtungen erfüllen. Bei den Rohstoffen für Agrardiesel (ölhaltige Pflanzen wie Raps oder Palmöl, Anm.) ist das anders. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.9.2007)