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Die Täter filmten das Ereignis mit ihren Mobiltelefonen.

Fotos: Reuters/Anthony P. Bolante
Gehänselt, bedroht, mit Klebeband an den Baum gefesselt - für einen schwedischen Schüler aus Malmö war die Schule eine Qual. Seine Peinigung wird zum Test für ein Anti-Mobbing-Gesetz: 16.000 Euro Schadenersatz soll der 14-Jährige bekommen - weil die Lehrer wegsahen.

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Wer erinnert sich nicht an den gehänselten Außenseiter auf dem Schulhof? In Schweden wollten Politiker dieses Phänomen nicht mehr länger dulden. Deshalb haben sie physischen und psychischen Quälereien von Schülern durch Schüler den Kampf angesagt. Kinder und Jugendliche, die in einer Schule von Mitschülern wiederholt gekränkt werden, können von der Schule oder der zuständigen Kommune Schadenersatz einklagen, wenn Lehrer und Erzieher keine aktiven Gegenmaßnahmen eingeleitet haben.

Dies schreibt ein Gesetz vor, das im April 2006 erlassen wurde. Nun wurde der bisher spektakulärste Mobbingfall bekannt - der zeigen wird, ob das Gesetz in der Praxis funktioniert. Ein 14-jähriger Schüler hat von der Sundsbro-Schule in Malmö Schadenersatz in Höhe von 150.000 Kronen (umgerechnet 16.200 Euro) eingefordert. Seit 2005 wurde er gemobbt. Den Höhepunkt erreichte der Fall heuer im Frühling, als zwei ältere Schüler den Jungen auf dem Schulhof mit reißfestem Tesafilm an einen Baum wickelten. Das Klebeband zogen die beiden über seinen ganzen Körper und selbst über den Kopf. Die Täter filmten das Ereignis mit ihren Mobiltelefonen und veröffentlichten den Übergriff im Internet. Die Lehrer taten nichts. Zwei Wochen später wurde der verängstigte Junge wieder auf die gleiche Weise gequält. Ohne Folgen für die Peiniger.

Die Mutter hatte bereits mehrere Male über die ständigen Kränkungen geklagt und die Schulleitung vergeblich um Hilfe gebeten. "Ich habe mir den Kopf an der Sundsbro-Schule blutig gestoßen, ohne irgendeine Unterstützung von den Lehrern zu bekommen", sagt die Mutter heute.

Inakzeptables Milieu

Der staatliche Ombudsmann für Kinder und Schüler nahm sich des Falles an, um untätigen Lehrern ein Warnsignal zu geben. "Hier geht es um einen sehr ernsten Übergriff. Ein solches Schulmilieu ist völlig inakzeptabel", begründet Ombudsmann Lars Arrhenius die hohe Schadenersatzforderung. "Wäre ein Erwachsener so an einen Baum geklebt worden, hätte das für die Täter zu mehreren Jahren Gefängnis geführt."

Die Sundsbro-Schule selbst streitet ihre Schuld ab. Direktor Mats Baath empfindet natürlich Mitleid für den Jungen. Baath findet aber, dass es sich bei der Sache nicht um Mobbing handle. "Wir versuchen immer, solchen Sachen vorzubeugen. Aber ich kann nicht ausschließen, dass es wieder geschieht", sagt er.

Weigert sich die Schule, Schadenersatz zu zahlen, wird der Prozess vor Gericht entschieden. Dem Jungen werden von Rechtsexperten gute Chancen eingeräumt. Dem Fall könnte bald eine ganze Reihe von ähnlichen Schadenersatzforderungen folgen. Denn allein beim schwedischen Schülerombudsmann sind seit dem Erlass des neuen Gesetzes über 500 Anzeigen eingegangen. (André Anwar aus Stockholm/DER STANDARD, Printausgabe, 24.9.2007)