Grafik: STANDARD
Wien - Die Globalisierung, die längst Einzug in die Bankenwelt gehalten hat, bringt auch neue Strukturen mit sich. So halten 96 Prozent der heimischen Banker eine Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit für notwendig, um auf das neue Bankenumfeld zu reagieren. Dazu gehört auch, neue Zielgruppen zu entdecken. Diese sehen Österreichs Banken auch in der muslimischen Bevölkerung und dem so genannten Islamic Banking.

Ob bei Muslimen in Österreich der Bedarf nach der Abwicklung ihrer Bankgeschäfte nach den Regeln des Korans besteht und welche Bedürfnisse islamische Kunden haben, wollte das Beratungsunternehmen Emotion Banking wissen. Das Ergebnis der Umfrage, die dem STANDARD exklusiv vorliegt: Die Regeln der Scharia - etwa das Zinsverbot (siehe Grafik) - haben für diesen Bevölkerungsteil einen hohen Stellenwert. Banken, die diese Zielgruppe erfolgreich gewinnen möchten, sollten die Regeln daher berücksichtigen.

Interesse an schariakonformen Produkten

Mehr als die Hälfte, 56 Prozent, zeigt sich an schariakonformen Produkten interessiert und würde diese auch bei mittelständischen Banken kaufen. Die Banker sehen das noch anders: Nur drei Prozent betrachten die Einführung islamkonformer Produkte als "sehr attraktiv", acht Prozent als "attraktiv".

Die Banken werden derzeit eher per Zufall ausgewählt, das wichtigste Kriterium ist die Nähe zur Wohnung, gefolgt von den technischen Möglichkeiten der Bank - etwa Internet-Banking oder Online-Brokerage.

Ausländische Banken spielen bei der Abwicklung von Bankgeschäften nur eine kleine Rolle. Lediglich 2,8 Prozent haben ihr Geld auf einem Girokonto einer ausländischen Bank liegen, zwei Prozent auf einem Sparbuch. 16 Prozent der Muslime haben derzeit eine Finanzierung laufen. Gebraucht wird das Geld zu 57 Prozent für ein Auto oder Motorrad, zu 24 Prozent für die Finanzierung von Immobilien.

Ein großes Potenzial gibt es laut der Umfrage bei Versicherungen. 73,9 Prozent der befragten Muslime gaben an, keine Haushaltsversicherung zu haben, 73,5 Prozent haben keine Unfallversicherung und 88,8 Prozent haben keine private Haftplichtversicherung. Rund ein Viertel der Befragten gaben an, gar keine Versicherung abgeschlossen zu haben.

Sprachliche Barrieren

Finanzdienstleister werden von der muslimischen Bevölkerung kaum genutzt. Die sprachliche Barriere wird dafür als größte Hürde angegeben. 34 Prozent verstehen den Berater und die Produkte aufgrund sprachlicher Barrieren nicht. "Die weiter steigende Zahl an Muslimen und die eigenen Bedürfnisse bei Finanzgeschäften schaffen einen potenziellen, bisher von österreichischen Banken noch ungenützten Markt", sagt Emotion-Banking-Geschäftsführer Christian Rauscher. Das Islamic Banking sei jedoch komplex. Eine reine Marketingverpackung bringe keinen Erfolg: "Es braucht speziell geschulte Mitarbeiter, die sich mit den religiösen Vorschriften und den Produkten auskennen", sagt Rauscher.

Erfolgreich vorgemacht hat das Islamic Banking Großbritannien. Die Kundenzahl ist von 2005 auf 2006 um 120 Prozent auf 30.814 gestiegen. Die Anzahl der Konten hat um 200 Prozent auf 51.032 zugenommen, die Einlagen sind um 76 Prozent auf 83,9 Mio. Pfund (120,2 Mio. Euro) gestiegen. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.9.2007)