Sendungschef Walter Köhler.

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Kurt Mündls Film über die Stubenfliege verkaufte der ORF in 120 Länder.

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Das ORF-"Universum" feiert am 29. September zwanzigsten Geburtstag. Sendungschef Walter Köhler erzählt Doris Priesching, warum er an Fliegenbeine Fäden knüpft.

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STANDARD: Verraten Sie ein paar Tricks, wie man die Viecherl dazu bringt, dass sie sich filmen lassen?

Köhler: Mindestens 60 Prozent sind klassische Naturbeobachtung. Manipulation ist meist um vieles teurer. Wir arbeiten zurzeit an einem Rotwildfilm mit Aufnahmen von Rudeln mit 200 Tieren. Das geht nur, wenn man sich habituiert. Einem Steinadler kann ich wiederum eine kleine Kamera auf den Rücken binden. Und Tiger filmt man auf einem Reitelefanten. Den greift der Tiger sicher nicht an.

STANDARD: Gibt es außer Rihas Seilbahnkamera weitere Techniken, die "Universum" erfunden hat?

Köhler: Man muss immer improvisieren. Wir haben zum Beispiel bei Kurt Mündls "Stubenfliege" enorm viele Fliegen verbraucht. Fliegen können nur gut zwischen 15 und 28 Grad überleben. Deshalb haben wir das Scheinwerferlicht durch Spiegel abgeleitet.

STANDARD: Wie filmt man denn die Fliege beim Fliegen?

Köhler: Man klebt einen blauen Faden an die Fliege und filmt sie vor blauem Hintergrund. Wir waren die ersten, die das so probierten. Die blöde Fliege wollte vorerst trotzdem nicht fliegen. Durch das Gewicht des Fadens brauchte sie einen Luftpolster. Also legte ich mich auf den Boden und blies sie mit einem Fön an.

STANDARD: Was hat sich beim Naturfilmen verändert?

Köhler: Die Schnittgeschwindigkeit ist fast dreimal so hoch. Außerdem werden mehr Spezialeffekte verwendet und Naturfilme haben einen narrativen Faden, man geht nicht mehr raus und filmt, was man einem vor die Kamera kommt.

STANDARD: Schauspieler klagen über knappere Drehtage. Wie ist das beim Naturfilm?

Köhler: Genau gleich. Wir hatten in den 80er-Jahren einen Film über das Donaudelta mit 200 Drehtagen. Das kann man sich heute nicht mehr leisten. Allerdings hilft die digitale Technik, eine Rolle Film kostete früher 7000 Schilling. Das fällt jetzt weg. <> STANDARD: Wie viele Drehtage darf ein "Universum"-Film haben?

Köhler: Unter 80 Tagen wird es schwierig, im Freiland zu drehen. Insekten sind leicht zu kontrollieren. Da geht mehr Geld in den Setbau hinein. Drehtagintensiver war die Soca ("Der smaragdene Fluss", 1997) mit 150 Drehtagen, die Alpenserie ("Im Reich des Steinadlers", 1992) hatte 500.

STANDARD: Und wie viel darf er kosten?

Köhler: Unter 300.000 Euro ist es fast unmöglich. Nach oben bestimmt der Markt, wie man einen Film ausstatten kann. Den Großteil treibt die Redaktion am internationalen Markt auf. Zwischen 150.000 und 200.000 Euro kommen vom ORF. Der Stephansdom kostete 727.000 Euro ("Sankt Stephan - Der lebende Dom", 1997), das Geld dafür aufzutreiben war eine extreme Kraftaufwendung. Danach hat er sich gut verkauft. Die drei Teile von "Arktis Nordost" kosteten insgesamt 2,4 Millionen Euro.

STANDARD: Wie viel bringt "Universum" dem ORF?

Köhler: Vom gesamten Verkaufsumsatz macht "Universum" 40 Prozent aus. Mündls Stubenfliege ist in 120 Ländern gelaufen. Die Asiaten kaufen im Moment fast alles. In Malaysia oder Indonesien gibt es sogar ein "Universum" mit ORF-Logo.

STANDARD: Welche Tiere mag das Publikum besonders?

Köhler: Die Österreicher sind sehr interessiert an einer gesamthaften Naturdarstellung. Wo man bei Einzeltieren kaum einen Fehler machen kann, sind Bären. Das müsste schon ein hundsmiserabler Film sein, dass der nicht funktioniert. Tiger gehen auch immer sehr gut. Kurioserweise gehen Menschenaffen nur, wenn es einen wissenschaftlichen Zusatz hat. Schwieriger sind Insekten, außer die Story konzentriert sich auf deren Leistung.

STANDARD: Was ist so faszinierend am Viecherl-Schauen?

Köhler: Erstens sind wir die einzige Sendung, die in 20 Jahren wie die "ZiB" nie den Termin gewechselt hat. Zweitens ist es ein gewisses Eskapismusphänomen. Aber es gibt auch ein philosophisches Argument: Wir wollten ein Umweltbewusstsein vermitteln, das von Schönheit und nicht von Kloake geprägt ist. Umweltbewusstsein entsteht nicht dadurch, dass man andauernd zeigt, was alles schon hin ist. Ich meine, man muss es umgekehrt angehen und zeigen, wie schön manche Teile auf der Erde sind und dann fragen: Wollt ihr das wirklich zerstören?

ZUR PERSON:

Walter Köhler (45) begann 1987 bei "Universum" als freier Autor, Produzent und Regisseur bei Wissenschaftschef Alfred Payrleitner. Seit 1994 leitet er die Redaktion. Der ORF zeigt "20 Jahre Universum" am 27. 9. um 20.15 Uhr. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 25.9. 2007)