Universitätsprofessorin Dr. Ursula Schmidt-Erfurth ist seit März 2004 Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie.

Sie hat für ihre Forschungsarbeit zahlreiche internationale Preise erhalten und ist unter anderem Vorstandsmitglied der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft.

Foto: Ursula Schmidt-Erfurth
Traditionelle Therapien zur Behandlung von Netzhaut- und Gefäßerkrankungen im Auge könnten ausgedient haben: Die neu Therapie mit Antikörpern ist schonender und hat keine ernstzunehmenden Nebenwirkungen. Bei welchen Erkrankungen sie angewendet wird und wie diese funktioniert, erklärt die Leiterin der Augenklinik an der MedUni Wien, Ursula Schmidt-Erfurth im Interview mit Sophie Leitner.

derStandard.at: Welche neuen Erkenntnisse stehen hinter der biologischen Therapie?

Schmidt-Erfurth: Man hat im Auge untersucht, warum normale Gefäße pathologisch durchlässig werden und herausgefunden, dass es einen sogenannten "vascular endothelial growth factor" (VEGF) gibt, der auf Deutsch als "Gefäßdurchlässigkeitsfaktor" oder "Gefäßwachstumsfaktor" bezeichnet werden kann. Es ist der schonenste und kausalste Weg, diesen VEGF-Faktor direkt zu blockieren. Und das erreicht man mit speziellen Antikörpern, die das VEGF erkennen und binden.

derStandard.at: Werden diese Therapien bereits angewendet?

Schmidt-Erfurth: Ja, wir wenden sie hier an der Universität Wien an, weil wir ein auf Netzhauterkrankungen spezialisiertes Zentrum sind. Bei diesen Behandlungen handelt es sich jedoch nicht um Experimente, sondern wir haben mittlerweile zwei Jahre lang klinische Studien dazu durchgeführt.

Aus diesen Studien ist hervorgegangen, dass die Behandlung wirklich einen Nutzen hat und keine gravierenden Nebenwirkungen mit sich bringt. Gerade bei Diabetes-Erkrankungen des Netzhautzentrums scheint diese Behandlung eine besondere Verbesserung zu sein, weil die empfindliche Stelle des schärfsten Sehens nicht vom Laser beeinträchtigt wird.

derStandard.at: Welche Netzhauterkrankungen treten besonders häufig auf?

Schmidt-Erfurth: Die häufigsten Netzhauterkrankungen sind Gefäßerkrankungen. Dazu gehören Gefäßverschlüsse, Diabetes, sowie die feuchte Makuladegeneration. Bei diesen Gefäßerkrankungen werden die Gefäße erst undicht und fangen dann an zu wuchern, das ist vor allem bei Diabetes und Gefäßverschlüssen so.

derStandard.at: Was sind die Gründe für Gefäßerkrankungen?

Schmidt-Erfurth: Gefäßverschlüsse sind beispielsweise eine sehr häufige Volkserkrankung, sie entstehen vor allem bei Patienten mit hohem Blutdruck.

derStandard.at: Wie genau funktioniert die Behandlung mit Antikörpern?

Schmidt-Erfurth: Die Antikörper gibt man direkt dorthin, wo sie wirken sollen, nämlich in das erkrankte Auge: Am Rand der Lederhaut wird eine winzig kleine Menge in den Augeninnenraum eingegeben. In diesem Fall reicht eine kleine Menge von Antikörpern, weil das Auge ein so geschlossenes "Aquarium" ist, um dort diesen Wachstums- und Durchlässigkeitsfaktor komplett zu blockieren.

Dadurch werden die Gefäße wieder dicht und wuchern nicht weiter, das heißt, es gibt keine Blutungen mehr, die Schwellung in der Netzhaut geht zurück und die Patienten können in vielen Fällen wieder besser sehen.

derStandard.at: Wie würden Sie die Vorteile gegenüber der herkömmlichen Lasertherapie oder der Chirugie beschreiben?

Schmidt-Erfurth: Das Lasern der Netzhaut ist ein Veröden. Dabei wird funktionierendes Seevermögen, funktionierende Netzhaut zerstört. Bei Gefäßverschlüssen hat man außerdem Operationen bis zur Spaltung des Sehnervs gemacht, um die Gefäße, die sich im Sehnervenkanal befinden, zu erweitern.

Diese Therapien haben aber alle keine großen Gewinne gebracht. Die Antikörper hingegen, sind sehr schonend, weil sie direkt in die Biologie der Erkrankung eingreifen, sie sind effizient und die Patienten können in vielen Fällen wieder besser sehen. Außerdem erspart man ihnen das Risiko einer großen Operation oder den Netzhautschaden der Laserverödung.

derStandard.at: Wird die Behandlung auch schon in Praxen durchgeführt?

Schmidt-Erfurth: Auch in Praxen wird die Therapie teilweise durchgeführt. Jedoch braucht man für den Stich ins Auge – auch wenn dieser für den Patienten, ähnlich einer Diabetesbehandlung, nicht schwerzhaft ist – chirurgische Erfahrung und einen sterilen Operationsraum, damit keine Keime ins Auge kommen.

derStandard.at: Sind diese Vorraussetzungen in einer Ordination gegeben?

Es ist nicht zu empfehlen, diese Behandlung in einer Ordination durchzuführen. Außerdem ist eine fundierte Expertise in der Netzhautdiagnostik erforderlich, damit nur der Patient die Behandlung bekommt, der auch profitiert und keinen Schaden erleidet. Ich würde daher raten, sich für diese Behandlung an eine Universitätsklinik zu wenden.