Wer bei schönem Wetter Mozart und bei schlechtem Wetter Wagner braucht, damit er rausgeht, ist kein Radiohörer, sondern ein Trottel.

Ö1-Chef Treiber über Musikteppiche für Nachrichten

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Ich halte Fernsehen sowieso für eine Katastrophe.
Die "Krone" treibt jedem Intellektuellen Angstschweiß auf die Stirn.

Philosoph Liessmann

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Weissenberger (li., "Kleine"); STANDARD-Chefredakteurin Föderl-Schmid moderierte.

"Ein Societymagazin wirbt mit ,Journalismus statt Voyeurismus‘", zwinkerte die Redakteurin: "Wenn das nicht Grund zur Hoffnung ist."

Eva Weissenberger ("Kleine Zeitung"), zwinkernd

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Die Welt da draußen wird immer komplexer, aber Journalismus wird immer einfacher. Publizität wird zum wichtigsten geldwerten Vorteil, den man nicht einmal versteuern muss.

Medienwissenschafter Holger Rust

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"Wie viel Qualitätsjournalismus verträgt Österreich?" fragten der STANDARD und "Österreich 1". Befund der Debatte: zu viel Heiliger Vater, zu viel "Verprominenzung", zu viel Demut vor deutschem Journalismus – und doch "Grund zur Hoffnung".

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Wien – Zur Qualität von Podiumsdiskussionen zählt, dass sie Themen in weiteren Bögen umkreisen. So auch Montagabend die Debatte von "Österreich 1" und der STANDARD. "Wie viel Qualitätsjournalismus verträgt Österreich?", wollten die beiden Qualitätsmedien wissen. Auch der frühere Chefredakteur und Herausgeber der "Presse", Thomas Chorherr, mühte sich deshalb ins rappelvolle Radiocafé des Wiener Funkhauses.

Die Antwort kann so einfach sein: Zehn bis 15 Prozent der Österreicher wollen Qualitätsjournalismus. Sagt Holger Rust, Kommunikationswissenschafter an der Uni Hannover, der 15 Jahre in Wien und Salzburg lehrte und schrieb. Gegen den Prozentsatz hatten weder Ö1-Chef Alfred Treiber noch Eva Weissenberger ("Kleine Zeitung") noch Konrad Paul Liessmann etwas einzuwenden.

Philosoph Liessmann will erst Begriffe geklärt sehen: Qualität an sich ist wertneutral. Also kann man durchaus auch von "Qualitätsboulevardjournalismus" sprechen. Boulevard wird uns an diesem Abend noch lange beschäftigen wie der Musikteppich unter Nachrichten. Bleiben wir bei der Abgrenzung davon. Qualität für Liessmann bedeutet: nachdenken, Reflexion, kritisch hinterfragen, "relativ respektlos" formulieren. Am Beispiel: Was bedeutet es für einen säkularen Staat, wenn ein Kirchenoberhaupt zu Besuch kommt? Liessmann empfiehlt einen Vierzeiler auf Seite drei, wenn da weder Entscheidungen fallen noch Wesentliches verkündet wird. Qualitätsmedien empfiehlt er zudem Reflexion – über die Stellung der Religion in der säkularen Welt, über das Verhältnis der Weltreligionen. Beim Papst vermisste Liessmann diesen Umgang.

Papa? Don’t preach!

Rust wundert sich bei Benedikts Besuch über so viel Redaktion für "eine solche Nichtigkeit – statt Menschen ihre Betroffenheit von Beschlüssen der EU erfahrbar zu machen". Die Vatikanische Visite hat Ö1-Chef Treiber ins Spiel gebracht. STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid fragte, wo Boulevard beginnt und nannte den Umgang mit Kampusch, Lugners. Treiber: "Man könnte den Papst in die Reihe stellen. Da sind Maßstäbe verloren gegangen. Es war zu viel, zu irrelevant, zum Teil auch falsch."

Qualitätsjournalismus könne sich mit jedem Thema befassen, sagt Treiber, es geht um’s Wie: "Mit ehrlichem Interesse dem Menschen unvoreingenommen Fakten näher zu bringen." Anders gesagt mit "Kleine"-Redakteurin Eva Weissenberger: Den Qualitätsjournalismus zeichnet aus, sich "nicht von PR-Leuten vor sich her treiben zu lassen, keinen Kampagnenjournalismus zu betreiben, zu berichten, was die Recherche ergibt, Anzeigen und Redaktion strikt zu trennen und Personalisierung nicht überborden zu lassen."

Im Promi-Netzwerk

Personalisierung? Ein zentrales Stichwort für Wissenschafter Rust: Journalismus wird "durchwachsen" von Prominenz, "Journalisten wollen Teil des Netzwerkes sein, werden belohnt mit Festschriften, Vorworten, Moderationen, Galas und Fachbuchaufträgen". Rust beobachtet ein "System der Nutznießerschaft von Journalisten, Politikern, Prominenten, die sich wechselseitig hochschaukeln." Die Formel seines Doktorvaters dazu: "Publizität wird zum wichtigsten geldwerten Vorteil, den man nicht einmal versteuern muss." Liessmann verdanken wir dazu den Begriff der "Verprominenzung der Gesellschaft". Und des Privatlebens – jüngster Dammbruch für Weissenberger: die Ehekrise der Familienministerin.

Das Zeitungsgeschäft

In Sachen Qualität "ständig neidvoll ins Ausland zu schielen, ist nicht in allen Punkten gerechtfertigt." Da schließt sich Liessmann Rust an, der sagt: "Österreich hat keinen Grund, sich zu verstecken." Der deutsche Medienwissenschafter hält heimischen Journalismus zum Teil für "hochklassig, das wird in Deutschland aber nicht wahrgenommen". In Deutschland wiederum drängten mehr und mehr Finanzinvestoren ins Zeitungsgeschäft, ohne verlegerisches Wollen, rein an Profit orientiert. Redaktionen würden getauscht oder ausgelagert in Contentfirmen.

Howdy, Partner!

Wo bleibt da die Unabhängigkeit? Liesmann sieht sie weniger durch autoritäre Verleger oder Chefredakteure gefährdet als durch "verinnerlichten Gehorsam, verinnerlichte Abhängigkeit". Sonderbeilagen eines Biotechmultis fallen ihm da ein, auch Medienpartnerschaften. "Wer wird da denn noch den totalen Verriss über einen Partner schreiben?" Bei dieser Diskussion will das auch keiner. Sie entstand in einer Art Medienpartnerschaft zwischen Ö1 und der STANDARD.

Und wo bleibt bei all den Widrigkeiten das Positive? Eva Weissenberger hatte eine Liste: "Die Österreicher werden immer gebildeter, brauchen also mehr Qualitätsmedien. Junge Journalisten werden immer besser ausgebildet." Neue Regeln für Medien, etwa im ORF und für den Aktienbesitz von Wirtschaftsjournalisten werden vorbereitet. Und: "Ein Societymagazin wirbt mit ,Journalismus statt Voyeurismus‘", zwinkerte die Redakteurin: "Wenn das nicht Grund zur Hoffnung ist." (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 26.9. 2007)