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"Du grausamer Diktator. Wer, ich?"

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Ahmadi-Nejad als das "das böse Wiesel".

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Die UN-Generaldebatten folgen einer bemerkenswerten Dramaturgie: Politiker kapern sich für eine Woche die Weltbühne und bespielen sie mit einem mitunter seltsamen Rollenverständnis. Dabei geht es nicht um Inhalte, dafür umso mehr um die Inszenierung.

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Im September kommt stets Schwung in die Bude: Diplomaten wieseln durch die Gänge des Hochhauses am East River. Staats- und Regierungschefs sind zu Dutzenden anwesend. Der Plenarsaal ist bis auf den letzten Platz belegt. In der Woche der UN-Generaldebatte ist New York fraglos das absolute Zentrum der Welt, das Headquarter der Vereinten Nationen in Lower Manhattan eine einzige politische Bühne.

Allerdings: Einen großen Regisseur für das UN-Stück gibt es nicht. Der Generalsekretär schüttelt Hände, der Vorsitzende erstellt die Rednerlisten. Für die bemerkenswerte Dramaturgie der Veranstaltung aber sorgen ihre Hauptdarsteller selber. Und dabei ist jedes Mal mit Unkonventionellem zu rechnen.

Wo unterm Jahr die Ständigen Vertreter mehr oder minder unter Ausschluss der Öffentlichkeit um Wörter und Satzzeichen in den UN-Resolutionen feilschen, geben in dieser einen Woche politische Schausteller vom Schlag eines Mahmud Ahmadi-Nedjad den Ton vor. Sie spielen - stets das immense globale Medieninteresse und den zünftigen Skandal im Auge - schrill mit dem schwierigen Versuch einer Weltdemokratie.

Wer einige Generalversammlungen verfolgt hat, kann dabei mitunter Déjà-vu-Erlebnisse erfahren. Bestes Beispiel: Die Auftritte des iranischen Präsidenten. Bei seinem ersten Erscheinen vor der UNO im September 2005 begann er seine Rede "im Namen Gottes" - und dann geschah es: Ahmadi-Nejad fühlte sich "von Licht umgeben, und die Führer der Welt blinzelten für 27 oder 28 Minuten nicht mehr". Ganz so, als seien sie vom 12. Imam, auf dessen Erscheinen der iranische Präsident zuversichtlich wartet, an ihren Sitzen festgezurrt worden. Jedenfalls seien die Weltenlenker auf diese Art ganz Ohr für die Anliegen des Iran gewesen, bemerkte Ahmadi-Nejad danach.

Zwei Jahre und einige Israel-Vernichtungsphantasien später will der iranische Präsident Ground Zero besuchen oder mit George W. Bush in einer Talkshow auftreten. Keine Provokation, scheint es, ist zu plump, um sich damit in New York nicht in den Mittelpunkt zu drängen. Die konkreten politischen Probleme wie der Klimaschutz, die Kosovostatusfrage oder die Reform des Sicherheitsrates dagegen gehen nebenher unter.

Schwefelgeruch ...

Dem Iraner um nichts nach steht Hugo Chávez, der venezolanische Präsident. Vergangenes Jahr bekreuzigte der sich, als er nach Bush ans Rednerpult trat und verwünschte den US-Präsidenten wegen dessen "Machtmissbrauch" als den leibhaftigen Teufel: "Es riecht hier immer noch nach Schwefel!"

Auch Chávez' Compañero Fidel Castro beherrschte die Kunst der Provokation in New York perfekt: Als er nach 16 Jahren wieder einmal in die USA reiste und beim Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2000 auftrat, tat er dies zivil im feinen Anzug. Danach zog er in Harlem in seiner Militärmontur um die Häuser und beklagte sich zwar, dass er nicht zu den offiziellen Empfängen eingeladen sei, aber seine Abende ohnehin lieber bei den Schwarzen in Harlem verbringe.

Einen denkwürdigen Auftritt hatte auch Jassir Arafat bei der Generalversammlung 1974. Er trat mit umgeschnalltem Pistolenhalfter ans Rednerpult und geißelte die Israelis für ihre Nahostpolitik ("Zionismus ist Rassismus").

... und Sowjetschuhe

Nikita Chruschtschow hielt bei der 15. Vollversammlung 1960 eine aufgeregte Rede in der heißen Zeit des Kalten Krieges und hämmerte danach mit seinem Schuh auf das Delegiertenpult der Sowjetunion. Was die Welt als ziemlich spaßige Geste begriff, schien den Moskauer Kadern als unziemlich, sie begannen mit der schleichenden Demontage des Sowjetführers.

Sind die Staats- und Regierungschefs Ende der Woche abgereist, wird es wieder beschaulich am East River. Die alten Probleme bleiben, die Diplomaten können sie gemächlicher wälzen. Die Show hatten andere, und sie ist jedenfalls vorüber. Was genau nun bei der Generalversammlung herausgekommen ist, bleibt nach wie vor unklar. So wie der Stellenwert der Vereinten Nationen nach der Zäsur des Irakkrieges.

Das geneigte Publikum hat seinen Applaus und seine Buhs (siehe die außer Rand und Band befindliche New Yorker Boulevard-Presse) angebracht. Es bleibt nichts, als zu warten auf die nächste Vorstellung im nächsten September. Man wird sehen, wer dann der Star sein wird. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 26.9.2007)