Mit einer Obduktionsquote von 30 Prozent hatte Wien zuletzt eine Art Vorbildfunktion: Während diese österreichweit bei 22 Prozent liegt und in Deutschland gar nur fünf Prozent ausmacht, wurde in Wien fast jeder dritte Todesfall in Form von Spitalsobduktionen, sanitätspolizeilichen oder gerichtlich angeordneten Leichenöffnungen untersucht. Deutsche Rechtsmediziner beneideten ihre Wiener Kollegen, da es damit recht unwahrscheinlich schien, dass in der Bundeshauptstadt Morde "übersehen" wurden.
Änderungsentwurf
Ende April wurde allerdings dem Wiener Landtag ein Gesetzesentwurf zur Änderung des WLBG vorgelegt: Demnach soll der Magistrat eine Obduktion nur mehr dann anordnen, wenn diese "zur Klarstellung der Todesursache aus wichtigen Gründen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge erforderlich ist und die Todesursache nicht auf andere Weise festgestellt werden kann".
Die bisherige Rechtslage, die eine sanitätspolizeiliche Obduktion auch dann vorsah, wenn eine natürliche Todesursache zwar "mit sehr großer Wahrscheinlichkeit" feststand, die Todesursache bei der äußeren Totenbeschau aber nicht zweifelsfrei klar war, wurde wörtlich als "unzulänglich" bezeichnet. Weiters hieß es: "Keine sanitätsbehördliche Obduktion wird anzuordnen sein bei Todesfällen durch äußere Ursachen (z. B. durch Unfall)."
Das Land Wien erhofft sich von der Ende Juni beschlossenen Novelle eine Kostenreduktion von 120.000 Euro pro Jahr. Für den Wiener Gerichtsmediziner Christian Reiter ein nicht nachvollziehbares Argument. In einem offenen Brief an den Leiter der Wiener Staatsanwaltschaft, Otto Schneider, skizzierte er schon vor Wochen die möglichen Folgen: "Vorgetäuschte Selbstmorde, rechtlich relevante Kausalverläufe bei Todesfällen nach Unfällen sowie Tötungsdelikte, die als Unfälle imponieren, werden in Zukunft gar nicht mehr zur Obduktion gelangen!"
Magistrat: Änderung notwendig