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Der Brennertunnel droht zum Milliardengrab zu werden. Die reinen Baukosten werden jetzt mit sechs Mrd. Euro angenommen, die Beteiligung privater Investoren ist in weite Ferne gerückt.

Fotos: Corbis, Cremer; Collage: Friesenbichler
Die EU-Kostenschätzung für den Brennerbasistunnel wurde in einem Jahr um ein Drittel erhöht: auf mindestens sechs Milliarden Euro - ohne Finanzierungskosten. Eine Beteiligung Privater hält Brenner-Beauftragter Karel van Miert für unrealistisch.

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Brüssel/Innsbruck - Der Brennerbasistunnel (BBT) wird nicht nur immer teurer, sondern dürfte auch keine finanzielle Unterstützung durch private Errichter oder Betreiber erhalten. Zu diesem Ergebnis kommt der EU-Tunnel-Koordinator Karel van Miert in seinem aktuellen Jahresbericht zur Eisenbahnachse Berlin - Palermo.

Mit sechs Milliarden Euro werden nun die Baukosten für die Eisenbahn-Röhre beziffert. Damit hat sich die offizielle Kostenschätzung in nur einem Jahr um mindestens 20 Prozent bis zu einem Drittel erhöht: Van Miert sprach in seinem Bericht 2006 noch von Baukosten in Höhe von 4,5 bis fünf Milliarden Euro.

Rechnet man zur neuen Schätzung Inflation und Finanzierungskosten hinzu, dann ist auf aktueller Preisbasis mit Kosten von jedenfalls neun Milliarden Euro (plus 50 Prozent) zu rechnen. Mit diesem Zuschlag von drei Milliarden Euro rechnet man derzeit im Aufsichtsrat der BBT SE.

Van Miert stellt im Bericht zudem klar, dass es sich um eine konservative Schätzung handelt: "Auch wenn diese Zahlen jetzt vielmehr auf Fakten als auf politischen Wünschen beruhen, stehen sie für ein optimales Szenario". Verzögerungen wie etwa administrative Engpässe oder unvorhergesehene Ereignisse beim Bau seien dabei "nicht berücksichtigt".

Von einem optimalen Szenario wird auch in Bezug auf den neuen - verzögerten - Zeitrahmen ausgegangen. Die Bauarbeiten für den Haupttunnel sollten nun Ende 2009 oder "spätestens Anfang 2010" - so van Miert am Mittwoch - beginnen und 2022 enden. Damit wird der Tunnel sieben Jahre später fertig als noch vor einem Jahr vom Koordinator angenommen.

Abschied von PPP Diese neuen Voraussagen für den Zeit- und Kostenrahmen hätten, so van Miert, auch zu einer "entscheidenden Änderung" beim Finanzierungsmodell geführt. Der Koordinator verabschiedet sich nun von der Idee der Beteiligung privater Investoren (PPP-Modell): "Eine öffentlich-private Partnerschaft für das gesamte Projekt scheint außerhalb der heutigen Marktmöglichkeiten zu liegen." Lediglich bei der Finanzierung der Schienentechnologie sieht van Miert realistische Chancen für eine private Beteiligung.

Damit ist klar: Finanziert werden soll das Megatunnel vor allem aus Steuertöpfen (der Haushalte Österreichs und Italiens und der EU). Van Miert empfiehlt der Eu-Kommission, dass dem Projekt "die höchstmögliche EU-Förderung" (maximal 50 Prozent) gewährt werden soll. Den Rest sollten sich die beiden Tunnel-Staaten teilen. Abgesehen von einem Anteil an "Querfinanzierung" aus Lkw-Maut-Einnahmen (eine Summe wird nicht genannt).

Voraussetzung für diesen hohen Zuschuss an EU-Mitteln sind laut van Miert unter anderem: Die Verpflichtung zur Fertigstellung der Zugangsstrecken und finanzielle Garantien der Mitgliedstaaten. Die nördliche und südliche Zugangsstrecke, ohne die der Tunnel laut Van Miert "nicht realisiert werden kann", sind in die bisherige Kostenkalkulation nicht mit eingerechnet.

Während beim fortschreitenden Projekt Unterinntal Zahlen (auch zur Kostensteigerung von mehr als 70 Prozent) vorliegen, gibt es für den Zulauf Süd (und teilweise auch den Abschnitt München - Kufstein) noch wenig Konkretes. Für van Miert steht jedoch fest, dass "die Zugangsstrecken bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung zu verwirklichen" sind. Italiens Regierung ist bisher allerdings von einer Fertigstellung erst im Jahr 2030 ausgegangen. (Benedikt Sauer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.09.2007)