Wien - Bis Montag wird das Schild ausgetauscht sein. Denn noch ist neben der Bürotür in der Justizanstalt Wien-Josefstadt die Metalltafel mit dem Wort "Anstaltsleiter" festgeschraubt. "Natürlich wird es Anstaltsleiterin heißen, schließlich war ich lange genug Gleichbehandlungsbeauftragte", erklärt Helene Pigl, während sie mit einer einladenden Handbewegung bittet, Platz zu nehmen.

Ab 1. Oktober ist die 49-Jährige die Leiterin des größten Gefängnisses in Österreich. Exakt 1175 Menschen sind derzeit hier inhaftiert. Platz ist eigentlich nur für 990 Menschen. Die "Auslastung" von 119 Prozent allein macht die Arbeit für die 517 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon anstrengend genug - 20 Tage durchgehend Dienst sind keine Seltenheit. Dazu kommen Sprachbarrieren: Die Häftlinge stammen aus 54 Ländern und sprechen 49 unterschiedliche Sprachen.

"Die Belegschaft steht momentan ziemlich an der Wand, gibt sich Pigl im Gespräch mit dem Standard keinen Illusionen hin. Mehr Personal zu bekommen wird schwierig, also baut sie auf die hohe Motivation ihrer MitarbeiterInnen. Je nach finanziellen Möglichkeiten will sie für die größten Nationalitätengruppen der Häftlinge DolmetscherInnen bekommen, damit "die Kommunikation verbessert wird. Wenn ich kommuniziere, kann keine Distanz entstehen", ist die spätberufene Wienerin überzeugt.

Die Hotelfachschule hat sie absolviert, nach drei Jahren als "Front Office Cashier" im Wiener Hilton hat eine Bekannte ihrer Mutter sie mit 24 zur Justizwache gebracht. Neben dem Job begann sie mit 38 zu studieren und wurde mit 44 Jahren Magistra.

Sich in einem männerdominierten Beruf durchzusetzen, hat ihr mitunter scheele Blicke eingetragen. "Wenn es solche Blicke gegeben hat, habe ich sie aber immer beinhart ignoriert", erzählt die geschiedene Mutter eines erwachsenen Sohnes. Frauen sind im Strafvollzug wichtig - auch für die Stimmung hinter Gittern: "Als Justizwachebeamtinnen in Männerabteilungen eingesetzt worden sind, haben sich die Häftlinge plötzlich besser gepflegt und einen weniger rüden Umgangston gehabt." (Michael Möseneder, DER STANDARD, Print, 28.9.2007)