Bekannter Ansatz
Seine Theorie basiert auf dem prinzipiell bekannten Wandel des Berufs- und Wirtschaftslebens weg von der Industriegesellschaft und hierachischen Systemen hin zu einer Wissens-, Informations- und dienstleistungsbasierten Tauschgesellschaft und zu Teamarbeit. Hinter Wikipedia, Internetforen, Blogs, Second Life oder Gratis-Software sieht Tapscott eine neue Form des Kapitalismus entstehen - "Wikinomics" eben, wie er es glanzvoll nennt. Wer Erfolg haben will, muss sich öffnen, Teile seines Wissens preisgeben und auf den Plattformen von Wikipedia und Co das Wissen der anderen anzapfen.
Goldgräberstimmung
Die neue Welt, wie sie Tapscott in seinem neuen Buch skizziert, erinnert ein wenig an die Goldgräberstimmung vor dem Platzen der Internet-Blase 2002 - ein wenig abschreckend sein Lieblingsbeispiel von der kanadischen Goldcorp Inc, die niemals ihre geologischen Daten preisgab, bis sie vor der Frage stand, wie sie aus einer 50 Jahre alten Goldmine in Ontario noch etwas herausholen konnte, die gesamten geologischen Daten ins Internet stellte und einen Wettbewerb ausschrieb. Das Ergebnis: Mehr als 1.000 Geologen und Hobbyforscher schickten ihre Auswertungen der 400 Megabyte Daten ein, um 575.000 Dollar (407.022 Euro) Preisgeld zu gewinnen. Rund die Hälfte ihrer Vorschläge verwiesen auf Stellen, die die firmeneigenen Geologen bisher nicht identifiziert hatten und Goldcorp holte dank des Wettbewerbs Gold im Wert von bisher knapp 3,5 Mrd. Dollar aus dem Boden.
Grundpfeiler des Internet
Doch Tapscotts Theorien sind fundierter. Er beruft sich auf Grundpfeiler des Internets, die jetzt mit der dramatischen Verbreiterung des Zugangs an Bedeutung gewinnen. "Da das Internet die Kosten für Zusammenarbeit massiv senkt, können zum ersten Mal in der Geschichte verschiedene Formen kollektiver Intelligenz entstehen. Früher war dazu eine kleine, überschaubare Gruppe mit einer klaren Hierarchie und wohldefinierten Entscheidungsprozessen notwendig, jetzt haben wir Peer-to-Peer-Produktionsformen (also Kooperationen zwischen Einzelpersonen), an denen Massen von Menschen teilnehmen", so seine Theorie.
"Nicht wirklich neu"
Kritiker wie der deutsche Wirtschaftswissenschafter Stephan Jansen zuletzt in der "Welt" meinen: "Nicht wirklich neu." Die Idee vom virtuellen Unternehmen gebe es schon seit den 90er Jahren und Teilen von geheimem oder kommerziellem Wissen sei nicht immer angebracht, ja oft sogar - wie etwa in der Musikindustrie - nur "ein letzter Rettungsversuch, nicht kontrollierbare Güterteilung durch Kunden doch noch positiv zu beschreiben". Und auch die "Financial Times Deutschland" kommt zu dem Schluss: "Das Beste an Tapscotts Buch ist der Titel." Tapscott kapitalisiere "geschickt die Magie, die von Wikipedia ausgeht. Den versprochenen Umsturz sucht der Leser im Buch vergeblich."