Kein Einzelfall
Nicht nur die Ratlosigkeit, sondern auch psychische Probleme machen der jungen Frau zu schaffen. "Es bereitet mir enorme Schwierigkeiten, vor einer Gruppe zu sprechen". Die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln löst bei ihr Panik und Angst aus. Anna ist kein Einzelfall.
"Wir wissen, dass viele Jugendliche die Wohnung nicht mehr verlassen", sagt Christine Sonntag, Leiterin des Projekts. Kürzlich wurde die unter anderem vom Bundessozialamt finanzierte Einrichtung offiziell eröffnet. Soziale Ängste, damit ist die dauerhafte Angst vor sozialen Begegnungen mit anderen Menschen und die Angst vor der Bewertung durch andere gemeint, würden zunehmen. "Das wird unterschätzt. Viele Jugendliche versuchen sich selbst zu heilen, etwa mit Alkohol und anderen 'Substanzen'", erzählt Sonntag.
Clearing
40 Jugendliche mit psychischen Problemen, großteils im Alter von 13 bis 24 Jahren, werden im Rahmen des Projekts betreut. Neben der "Stabilisierung" soll bei der Entwicklung eines realistischen "Karriereplans" geholfen werden. Die "Clearingphase" dauert bis zu einem halben Jahr, die Begleitung in den Arbeitsmarkt kann bis zu einem Jahr erfolgen.
Exkursionen, EDV-Trainings, Kreativkurse, Einzelgespräche und Gruppenangebote können im Rahmen der Clearing-Phase in Anspruch genommen werden. In der Selbstmanagementgruppe wird trainiert, Blickkontakt zu halten, mit Kritik klar zu kommen, mit fremden Leuten zu sprechen und neue Orte aufzusuchen. All das muss Stück für Stück erlernt werden. "Für manche Jugendliche ist es schon ein Problem, drei Stunden durchzuhalten", erzählt Camilla Bensch, Psychotherapeutin, aus ihrem Alltag.
Druck gestiegen
"Der Druck, sich anzupassen und in einer genormten Weise die Schönste und Tollste zu sein, hat enorm zugenommen", schildert Anna einen Grund für ihre sozialen Ängste.
Diesen Trend bestätigt auch die kürzlich veröffentliche Studie "Kinderbarometer" aus Deutschland. Derzufolge hat ein Drittel der 9- bis 14-jährigen SchülerInnen in Deutschland Angst vor schlechten Noten und vor dem Sitzenbleiben. Neben der Furcht zu Versagen, ist auch der soziale Druck in den Klassenzimmern groß. So gab mehr als die Hälfte der insgesamt 6.000 Befragten an, in der Woche vor der Umfrage in der Schule beleidigt, gehänselt oder bloßgestellt worden zu sein. Meist sind es die Mitschüler, die mobben. Jedes fünfte Kind hat das Gefühl, auch von seinen Lehrern beleidigt zu werden.
Wieder Mut gefasst