Wenn die Europäische Zentralbank kommende Woche in Wien über die weitere Zinspolitik berät, muss sie zwischen Pest und Cholera wählen.

Zum einen spricht vieles für eine Zinserhöhung: Die Inflation ist von 1,7 auf 2,1 Prozent deutlich gestiegen, in Deutschland beträgt die Teuerungsrate für September bereits 2,7 Prozent. Die weitere Tendenz zeigt deutlich nach oben: Butter wurde in manchen Gegenden der EU um 40 Prozent teurer, Milch und Brot liegen knapp dahinter. Dazu kommen der stetig kletternde Ölpreis – der starke Euro federt hier einiges ab – und kräftige Lohnrunden als Ergebnis der ausgezeichneten Konjunktur.

Zum anderen wird sich aber das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr deutlich abschwächen, und die Konjunkturlokomotive USA leidet unter den Folgen der Immobilien-Finanzkrise. Das wird die exportorientierte europäische Wirtschaft – und hier wieder vor allem Deutschland – hart treffen. Und weiter steigende Zinsen könnten die Konjunktur noch stärker bremsen, als dies den Immobilienspekulanten möglich war.

Stabilisierung der Preisfront mit erheblichem Konjunkturbedrohungspotenzial oder Inflationsraten jenseits von drei Prozent: Die EZB steckt in einer ziemlich unangenehmen Zwickmühle. In genau dieser befinden im Übrigen auch die Verhandler in den Lohnrunden. Schwachpunkt der EU-Konjunktur ist noch immer der private Konsum, dessen Wachstum deutlich hinter dem der Wirtschaft hinterherhinkt. Üppige Lohnrunden hätten hier zwar positive Effekte, doch kommen sie vielleicht schon zu spät: Dadurch würde auch die Inflation weiter steigen, was wieder höhere Zinsen nötig machte und den Albtraum aller Notenbanker, eine Lohn-Preisspirale, in Gang setzen würde. Die EZB steht in Wien wohl vor ihrer schwierigsten Zinsrunde. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.9.2007)