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Euro-Geschäftsführer Martin Kallen sieht die Grenze des Kommerzes erreicht.

Foto:APA/Diener
Wien - Michel Platini hat einen Brief geschrieben. Wahrscheinlich nicht er selbst, sondern eine flinke Sekretärin, aber wichtiger als die Arbeitsteilung im Büro des UEFA-Präsidenten ist seine Botschaft. "Die Freude im Fußball basiert nicht nur auf Geld", heißt es in dem an die europäischen Regierungschefs gerichteten Schreiben, und es umreißt weiter die Bedrohung des Fußballs durch "die unheilvolle Allgegenwart des Geldes".

Titel und Trophäen

Nein, Platini, der ehemalige Klassekicker, Europameister und Europacupsieger, lässt sich nicht von "unzeitgemäßer Romantik" treiben. "Geld war nie das höchste Ziel", sagt der ehemalige Profi bei Juventus. Es ging immer um "Trophäen und Titel", schreibt Platini. Und darum solle es auch in Zukunft gehen, deshalb hat er eine Reform der Champions League vorgeschlagen, welche die Teilnehmerzahl aus den großen Ligen Spanien, Italien und England von vier auf drei reduziert und dafür kleineren Ligen die Qualifikationsschwelle herabsetzt.

Der Schweizer Martin Kallen (43), Geschäftsführer jener UEFA-Tochterfirma, welche die EURO 2008 in der Schweiz und in Österreich organisiert, kann Platini nur zustimmen. Und zwar nicht, weil der sein Chef ist, sondern "im Sinne des Fußballs. Wir sind an der Grenze angelangt, wir haben das Business immer erweitert und erweitert, wir müssen jetzt aufpassen, dass wir es nicht übertreiben."

Unerwartet einsichtsvolle Töne also von einem hohen Herrn, dessen Unternehmen oder Verein - die UEFA gilt in der Schweiz als gemeinnütziger Verein, was sich auf die Steuerpflicht sehr angenehm auswirkt - erst vor Kurzem von den hohen TV-Lizenzforderungen an den ORF herunterstieg und dadurch die Übertragung der EURO ermöglichte.

Kalter Konzern

Die UEFA leidet unter ihrem und kämpft gegen ihr Image als kalter Konzern. Merkwürdige Geschichten machen die Runde, denen zufolge man in den offiziellen Fanmeilen das Leiberl werde ausziehen müssen, falls ein Firmenlogo draufpickt, das mit der UEFA nicht koordiniert wurde. Kallen: "Das ist Unsinn. Uns geht's um organisierte, massenweise Auftritte, wo Firmen Aufmerksamkeit erregen wollen, die nicht mit uns zusammenarbeiten."

Und wie steht es mit Unternehmen wie McDonald's oder Coca-Cola, denen in Untersuchungen der Unesco ein Beitrag zur Verfettung der Kinder zugemessen wird? Kallen räumt ein, dass "man nicht zu tief schürfen dürfe", denn nach streng ethischen Kriterien seien Partner mit ausreichend Kapital wohl kaum zu kriegen. Ein pragmatischer Standpunkt, der noch Bewegungsraum lässt.

Die UEFA steigerte ihren Umsatz von der EM 2000 zur EM 2004 von 221 auf 839 Millionen Euro. Nach der EM in Portugal lief der TV-Vertrag aus, die moderne Medienlandschaft mit ihrer Fülle an Privatsendern und Internetanbietern eröffnete neue Felder.

In Portugal erfreute sich die UEFA an einer umfassenden Steuerbefreiung. Das wird es in der Schweiz und Österreich nicht geben. Kallen: "Wir verlangen keine Steuerfreiheit, sind der Meinung, wer Geld verdient, soll auch Steuern zahlen. Es geht um die Quellensteuer und um die Frage, wo die Prämien der Spieler versteuert werden." Nämlich in Österreich/Schweiz oder im Wohnsitzland des Kickers. Die Österreicher können in dieser Hinsicht ruhig schlafen. (Johann Skocek, DER STANDARD Printausgabe 29.09.2007)