Genau, pünktlich, zielstrebig, ehrgeizig, fleißig, ausdauernd, systematisch - so lassen sich jene Menschen beschreiben, die bei Gewissenhaftigkeit hochladen. Eng damit in Zusammenhang steht Leistungsmotivation. Zwängler und Streber also - oft verachtet, insgeheim bewundert, wichtig allemal. Gewissenhaftigkeit beeinflusst Karriereverläufe positiv, zeigen viele Studien. Dabei gibt es interessante Nuancen:
  • Beim Berufseinstieg ist es weniger die Persönlichkeit, die zählt, als die soziale Herkunft. Sie versorgt uns mit jenen Attributen, die unseren Habitus ausmachen: Kinderstube, Lebensstil, Souveränität im Umgang mit karriererelevanten Personen, sei es im Fachgespräch oder im Smalltalk.

    Bald aber zeigt sich, was hinter dieser Fassade steckt - Gewissenhaftigkeit gewinnt an Bedeutung. Wer arbeitet nicht lieber mit Personen zusammen, auf die man sich verlassen kann und die ihre Aufgaben mit Systematik erledigen?
  • In den ersten fünf Karrierejahren hat Gewissenhaftigkeit starken Einfluss auf Einkommen und Zufriedenheit - nicht aber auf das Erreichen von Führungspositionen. Die Streber werden besonders von jenen geliebt, die auf ihre Arbeit angewiesen sind. Das wissen die Streber auch, überdurchschnittlich häufig geben sie in dieser Phase an, dass sie im Beruf von anderen für erfolgreich gehalten werden. Sie werden auch besser bezahlt. Man schätzt sie als Mitarbeiter, nicht aber als Führungskräfte.
  • Später, wenn die Luft dünner wird, reichen Leistungsorientierung und Gewissenhaftigkeit allein nicht mehr, oft sind sie hinderlich. Flexibilität und Offenheit für neue Erfahrungen werden wichtiger. Wenn es um Beförderungen geht, kommen die Streber oft zu kurz. Für Führungskräfte ist der geschickte Umgang mit mehrdeutigen Situationen wichtiger als das zwanghafte Beharren auf einer richtigen Lösung.
Seit den Studien von David C. McLelland wissen wir auch, dass es dann die Machtorientierung ist, die erfolgreiche Führungskräfte auszeichnet. Wer leistungsorientiert zu viel Zeit für die optimale Lösung investiert, gerät ins Hintertreffen gegenüber denjenigen, die die zweitbeste Lösung machtbewusst und schnell umsetzen - insbesondere dann, wenn diese ihre Macht glaubhaft im Dienst eines größeren Ganzen einsetzen. (Michael Meyer, Der  Standard, Printausgabe 29./30.9.2007)