Kandahar - Angesichts der Eskalation der Gewalt in Afghanistan hat sich Präsident Hamid Karzai zu persönlichen Friedensgesprächen mit Taliban-Führer Mullah Omar bereiterklärt und den Extremisten Posten in der Regierung in Aussicht gestellt, wenn sie ihren Aufstand beenden. Die Taliban lehnten jedoch das Gesprächsangebot Karzais ab und forderten einen Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan.

Bei einem der blutigsten Anschläge seit dem Sturz der Taliban riss ein Selbstmordattentäter in Kabul kurz zuvor mindestens 30 Menschen mit in den Tod, 30 weitere erlitten Verletzungen.

Taliban-Sprecher Qari Yousef Ahmadi erklärte am Sonntag, man werde nicht mit der Regierung in Kabul verhandeln, bevor die ausländischen Streitkräfte nicht das Land verlassen hätten. Selbst wenn Karzai sein Amt aufgebe, werde es nicht zu Gesprächen mit Mullah Omar kommen. "Wir wollen den Abzug der ausländischen Truppen, und wir halten an dieser Position fest", betonte Ahmadi. Die Taliban seien an einer Mitarbeit in der Regierung nicht interessiert. Nach Angaben von Karzais Büros erwägen jedoch mehrere Taliban-Kämpfer ernsthaft, ihre Waffen niederzulegen. "Sie wollen in Frieden leben", sagte Sprecher Humayun Hamidzada. Auch die UNO und die NATO berichteten von entsprechenden Anzeichen.

Karzai erklärte, er wolle auch mit Milizführer Gulbuddin Hekmatyar sprechen. "Wenn ich ihre Adresse habe, brauchen sie nicht zu mir kommen, ich werde persönlich dorthin gehen und mich bei ihnen melden", erklärte der Präsident. Er hatte die Taliban in den vergangenen Wochen wiederholt zu Verhandlungen aufgefordert. "Warum zerstören sie das Land", fragte er am Samstag an die Adresse Omars und Hekmatyars.

30 Tote bei Anschlag am Samstag

Der Selbstmordattentäter in Kabul zündete am Samstag vor einem Bus der Streitkräfte einen gewaltigen Sprengsatz. Die Wucht der Explosion riss das Fahrzeug auseinander, Leichenteile wurden in alle Richtungen verstreut. Der Bus hatte in der Früh vor einem Kino in der Hauptstadt gehalten. Der Attentäter habe eine Uniform der Streitkräfte getragen und gemeinsam mit Soldaten versucht einzusteigen, erklärte ein Militärsprecher. Mehrere Gebäude wurden durch die Detonation schwer beschädigt. Nach Angaben der Streitkräfte saßen rund 50 Personen in dem Bus. Zu dem Anschlag bekannten sich die Taliban.

Unter den Todesopfern seien 28 Soldaten und zwei Zivilpersonen, teilte das Präsidialamt mit. Karzai verurteilte den Anschlag als feigen Akt. "Wer auch immer das getan hat, war gegen Menschen, gegen Menschlichkeit, ganz bestimmt gegen den Islam", sagte der Staatschef. Im Juni hatte ein Selbstmordattentäter bei einem ähnlichen Anschlag wie am Samstag in der afghanischen Hauptstadt 35 Menschen in einem Polizeibus in den Tod gerissen. Die Taliban haben in diesem Jahr bereits mehr als 100 Selbstmordattentate verübt.

Rot-Kreuz-Mitarbeiter wieder frei

Vier bei den Bemühungen um die Freilassung des Deutschen Rudolf B. in Afghanistan entführte Mitarbeiter des Roten Kreuzes sind unterdessen wieder frei, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Samstag bestätigte. Sie seien von ihren Entführern gut behandelt worden, sagten die Männer - ein Burmese, ein Mazedonier und zwei Afghanen - nach ihrer Freilassung. B. sei noch am Leben, berichteten die Rot-Kreuz-Mitarbeiter. Der Ingenieur wurde zusammen mit seinem Kollegen Rüdiger D. am 18. Juli in Wardak verschleppt. D. erlitt in der Gefangenschaft einen Schwächeanfall und wurde erschossen.

Die IKRK-Mitarbeiter waren am Mittwoch in der Provinz Wardak entführt worden. Ein Taliban-Kommandant sagte in einem Video, das die Fernsehnachrichtendienst APTN erhalten hat, er habe die Gefangennahme der vier befohlen, weil er sie für Spione gehalten habe. Nachdem klar gewesen sei, dass es sich um Mitarbeiter des Roten Kreuzes handle, seien sie freigelassen worden. (APA)