STANDARD: Der heurige Sommer hat die zuletzt arg gebeutelte Tourismusbranche versöhnt. Woran liegt es, dass wieder vermehrt Gäste nach Österreich kommen?
Zellmann: Der Erfolg hat wie immer viele Väter. Die Basis wurde vor ein paar Jahren gelegt. Wirtschaftsministerium, Wirtschaftskammer und Österreich Werbung haben an einem Strang gezogen und die Erlebnisorientierung des Urlaubsangebots in den Vordergrund gestellt. Es dauert eben drei, vier Jahre, bis so etwas an der Basis, bei den Betrieben ankommt.
STANDARD: Läuft nun alles rund?
Zellmann: Zu glauben, dass es keine Schwächen mehr gibt im Tourismus, wäre naiv. Man hat etwas Luft gewonnen. Nun sollten sich alle Beteiligten bemühen, auch im Detail noch besser zu werden.
STANDARD: Stimmt der Eindruck, dass Wohl und Weh des Sommertourismus in Österreich noch immer stark vom Wetter abhängt?
Zellmann: Der heurige August war zwar besser als im Vorjahr, aber auch nicht wirklich schön. Trotzdem hat es ein Plus bei Ankünften und Nächtigungen gegeben ...
STANDARD: ...was nach den Einbrüchen im Vorjahr auch keine Sensation ist; im August sind viele gezwungen, auf Urlaub zu fahren.
Zellmann: Erstmals hat man aber gespürt, dass die Schlechtwetterangebote greifen. Thermen allein sind nicht die Rettung des Sommertourismus, genauso wenig wie Museen. Es muss auch Aktivitäten im Freien geben. Die Tourismusverantwortlichen haben sich heuer viele Outdoor-Sachen einfallen lassen. Und die sind auch angenommen worden.
STANDARD: Wandern, wenn die Wolken bis ins Tal hängen und es von einem Moment auf den anderen schütten kann? Das soll sexy sein?
Zellmann: Warum nicht? Es kommt auf das Drumherum an. Der alte Spruch, wonach es kein schlechtes Wetter gibt, nur schlechte Kleidung, hat etwas für sich. Vom Tal zum Gipfel könnte man Wege anlegen, mit Hütten in kurzen Abständen, wo die Leute ihre Socken trocknen, selbst Brot backen oder andere Sachen machen können. Bei Schönwetter könnten die Wanderer auf eine andere Route gelotst werden, vorbei an einer Quelle, an einem Wasserfall und an tollen Aussichtspunkten.
STANDARD: Schlechtwetterangebote müssen nicht teuer sein?
Zellmann: Überhaupt nicht. Es gibt so viel Entdeckenswertes - ein alter Baum, ein besonderer Stein. Die Schätze schlummern in den Köpfen der Leute. Die Leute vor Ort werden aber nie gefragt, weil sie keine hoch bezahlten Tourismusexperten sind. Das ist schade.
STANDARD: Profitiert haben im Sommer insbesondere Vier- und Fünf-Sterne-Betriebe, Privatquartiere haben erneut Gäste verloren. Ein Trend, der nicht umkehrbar ist?
Zellmann: Das wäre schlimm. Privatquartiere und Zwei- bis Drei-Sterne-Unterkünfte sind die Basis des Tourismus. 80 Prozent der Gästebetten befinden sich dort. Wir brauchen diese Angebote, um langfristig Erfolg zu haben.
STANDARD: Wo liegt das Problem?
Zellmann: Mangelnde Bereitschaft zur Kooperation. Nicht jeder muss ein Hallenbad haben, nicht jeder Wellness anbieten. Man kann im Kleinen zusammenarbeiten. Auch so entsteht ein tolles Angebot für den Gast.
STANDARD: Dagegen spricht der Futterneid.
Zellmann: Deshalb meine Idee, das zunächst in einer Modellregion anzufangen. Das kann Kreise ziehen. Man kann den Menschen von außen nichts vorschreiben, das muss sich entwickeln. Die ganze Region muss Gastgeber sein.
STANDARD: Die Seilbahngesellschaften haben im Sommer wie wild in neue Beschneiungsanlagen investiert. Ist das sinnvoll ?
Zellmann: Wir dürfen uns keine Illusionen machen. Wintertourismus heißt Skifahren, heißt Snowboarden. Beides braucht Schnee. Ohne Schnee kommt der Wintertourismus in arge Schwierigkeiten. Dann gerät auch der Sommertourismus unter Druck, weil die meisten Vier- und Fünf-Sterne-Häuser Zwei-Saison-Betriebe sind. Damit wird aber auch das BIP, die heilige Kuh des Wachstums, nachhaltig erschüttert.
STANDARD: Was schlagen Sie vor?
Zellmann: Unsere gesamte Energie in die Beantwortung der Frage zu lenken, ob Beschneiung umweltverträglich und mit nicht allzu großem Energieverbrauch möglich ist. Können beide Fragen mit Ja beantwortet werden, sollte man das Beschneien konsequent durchziehen. Wenn nicht, muss man sich vom Wintertourismus, wie wir ihn in Österreich jetzt kennen, verabschieden.
STANDARD: Warum das?