Moskau/Wien - "Warum nicht? Im Leben ist alles möglich. Lenzing gefällt uns", sagt Alexandr Kosintsev zum Standard. "Aber das ist Kaffeesudlesen. Es gibt derzeit weder Gespräche über eine Übernahme von Lenzing, noch hat uns irgendwer ein Angebot gemacht. Wir sind mit Lenzing im Gespräch, aber in einer ganz anderen Sache".

Kosintsev ist die rechte Hand von Andrej Kositsyn, der wiederum die Funktion des österreichischen Honorarkonsuls in der russischen Stadt Jekaterinburg und des Generaldirektors in der Ural-Montanmetallurgiecompany (UGMK) in Personalunion vereinigt. Mit Verweis auf Kositsyns Umgebung hat die Kleine Zeitung berichtet, dass UGMK, die jährlich fast zwei Mrd. Euro Umsatz macht, Lenzing übernehmen wolle.

Tatsächlich geht es in der Causa um den Bau des größten russischen Zellulosewerks um ein bis eineinhalb Milliarden Euro in Jekaterinburg. "Wir haben Lenzing als Berater auserkoren. Der Kontakt läuft derzeit auf der operativen Ebene. Nächste Woche gehen die Beratungen auf oberster Ebene weiter", sagt Kosintsev. Gebaut werden soll 2009: "Wir schätzen das Know-how von Lenzing. Vielleicht wird Lenzing Teilhaber am Werk".

Mit dem Werk würde Russland einen ersten größeren Wertschöpfungsschritt in seine Holzindustrie bringen. Bislang wird der Großteil nicht oder kaum bearbeitet exportiert. Um dem einen Riegel vorzuschieben, hat die Regierung im Vorjahr ein Programm vorgelegt, das die Produktion im eigenen Land ankurbeln und den Rohholzexport über Zölle behindern soll. Als Rohstoffquelle sollten die Mischwälder im Großraum Jekaterinburg interessant sein.

Ob die russische Offenherzigkeit bei der Lenzing AG gut ankommt, bleibt abzuwarten. Dort gibt man sich bezüglich einer Kooperation nämlich mehr als zugeknöpft. Es gebe Evaluierungen in vielen Ländern, sagt eine Lenzing-Sprecherin, Angebote sowohl auf der Rohstoff- als auch der Verarbeitungsseite kämen im Monatsrhythmus. Als Marktführer, der seit 1938 allein am Standort Lenzing sechs Millionen Tonnen Zellulosefasern produziert hat (entspricht 20 Milliarden T-Shirts, Anm.), sondiere man immer. "Keine Stellungnahme" gibt es bei dem der Bank Austria nahe stehenden Lenzing-Mehrheitsaktionär B&C-Holding (88 Prozent) zu den neuerlichen Verkaufsgerüchten; aber auch kein Dementi. Dafür meldete sich Ludwig Scharinger, Chef der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich. Er würde Lenzing, die eben den Ausbau des Faserwerks in Heiligenkreuz um 25 Mio. Euro fixiert hat, mit Partnern wie CVC übernehmen, um einen Verkauf ans Ausland zu verhindern. (Eduard Steiner, Luise Ungerboeck, DER STANDARD Printausgabe 02.10.2007)