Paris - Eine der zentralen Maßnahmen des konservativen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy (UMP) zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes ist am Montag in Kraft getreten. Es handlet sich um die Befreiung der Überstunden von den Sozialabgaben für die Arbeitgeber - die Abgaben werden vom Staat bezahlt - und um die Befreiung von den Einkommenssteuern für die Angestellten.

Theoretisch sind von der Maßnahme, die den Staat im ersten Jahr 5,5 Milliarden Euro und danach 6,6 Milliarden Euro kosten wird, 18 Millionen Arbeitnehmer betroffen. In der Praxis hängt es allerdings von den Unternehmern ab, ob sie Anwendung findet oder nicht. Eine Regierungsverfügung wird die Bestimmung bereits in den nächsten Tagen auf die Staatsbediensteten ausdehnen.

Überstundenregelung

Offiziell will Sarkozy mit der Maßnahme den Konsum und somit das Wirtschaftswachstum anspornen, unmittelbar hat sie es allerdings zur Folge, die von den Sozialisten im Jahr 2000 gesetzlich eingeführte 35-Stunden-Woche faktisch abzuschaffen. Zahlreiche Wirtschaftsexperten zweifeln überdies daran, dass die neue Überstundenregelung tatsächlich das Wachstum ankurbeln wird. "Die Nutznießer dieser Maßnahme werden zu 90 Prozent jene sein, die bereits gegenwärtig Überstunden machen", betonte etwa das "Observatoire unitaire des politiques sociales". Nach Angaben des Arbeitsministeriums leisten bereits 37 Prozent der Angestellten Überstunden.

"Bedrohlich für den Arbeitsmarkt"

Sozialistenchef Francois Hollande (PS) kritisierte die Maßnahme als "kostspielig, wenig effizient und bedrohlich für den Arbeitsmarkt". "Dieses Gesetz kann perverse Auswirkungen haben, wenn man jenen mehr Arbeit gibt, die bereits einen Job haben, anstatt neues Personal anzustellen", sagte Hollande am Montag im Radiosender RMC. Laut PS-Chef müsste die Regierung vor allem jenen Menschen helfen, "die keine Arbeit haben", insbesondere den jungen Leuten und den Senioren.

Kritisch äußerte sich auch Altpremier Lionel Jospin (PS), der die "kurze Arbeitswoche" vor sieben Jahren eingeführt hatte. Er erklärte sich überzeugt, dass die Regierung den Lohnempfängern durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer nach den Kommunalwahlen vom Frühjahr 2008 "weit mehr nehmen wird, als die durch ein paar steuerfreie Überstunden dazu verdienen".

Einkommenssteuer

Wirtschaftsministerin Christine Lagarde betonte dagegen am Montag im TV-Sender "France 2", dass die Arbeitnehmer "ab der 36. Wochenstunde 25 Prozent mehr verdienen und keine Einkommenssteuer dafür zahlen müssen". Die Gewerkschaften hielten dem allerdings die Tatsache entgegen, dass in Frankreich 50 Prozent der Haushalte überhaupt keine Einkommenssteuer zahlen, weil sie zu wenig verdienen. Für diese Lohnempfänger ändere sich also in Bezug auf die aktuelle Gesetzeslage nichts.

Unverändert blieb auch die Regelung, wonach die Arbeitgeber die Anzahl der Überstunden festlegen. Nach Ansicht der Gewerkschaft CGT besteht daher die Gefahr, dass die Unternehmer die Überstunden an die Stelle effektiver Lohnanhebungen setzen. In dem Fall wurde dies auch eine Verteuerung der Maßnahme selbst bedeuten, zumal die Kosten von der Regierung auf der Basis des aktuellen Volumens von 1,3 Milliarden Überstunden pro Jahr.

"Sanktionen" befürchtet

Sanktionen für die Regierungsmehrheit bei den Kommunalwahlen fürchtete der UMP-Politiker Pierre Mehaignerie, Präsident des Sozialausschusses in der Nationalversammlung. "Wenn man die Branchenverhandlungen abwartet, werden die positiven Auswirkungen der Überstundenregelung zu spät kommen", betonte der Abgeordnete und kündigte daher einen Abänderngsantrag zum Gesetz an, der es Einzelbetrieben erlauben soll, durch Betriebsabkommen die Branchenabkommen zu modifizieren. (APA)