Wien - ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer hat bei der öffentlichen Präsentation des Perspektivenpapiers der ÖVP klargestellt, dass er hinter den unter Landwirtschaftsminister Josef Pröll ausgearbeiteten Ideen steht: "Das Papier der Perspektivengruppe ist keine Diskussionsgrundlage, sondern ein Umsetzungsauftrag für die gesamte österreichische Volkspartei, dem ich mich verpflichtet fühle." Als erstes Projekt will Molterer das e-voting angehen, dessen Umsetzung für die Europawahl schon in diesem Herbst vorbereitet werden soll. Das Gleiche gelte für eingetragene Partnerschaften für Homosexuelle beim Standesamt.

Auf besondere Begeisterung innerhalb der Volkspartei stieß der Vorschlag der Perspektivengruppe, eine Familienbesteuerung einzuführen. Molterer versprach, dieses Thema in die Vorbereitungen für die Steuerreform 2010 einzubeziehen. Pröll unterstrich, dass es sich nicht um eine Rückkehr der alten, in der Kreisky-Ära abgeschafften Familienbesteuerung handle, da diesmal auch Nicht-Ehepaare mit Kindern, also Unverheiratete bzw. Alleinverdiener profitieren könnten. Für Klein- und Mittelbetriebe forderte der Umweltminister "sowas wie eine Flat-Tax" ein.

Zurückhaltung bei Mehrheitswahlrecht

Mehr Zurückhaltung auferlegt hat sich die ÖVP-Spitze noch in Sachen Mehrheitswahlrecht, wo im Perspektivenpapier zur offenen Debatte aufgerufen wird, da "durch das bestehende Wahlrecht erzwungene Koalitionen" die Demokratie mehr schädigen könnten als sichtbare Richtungsentscheidungen bei Wahlen. Molterer begrüßte die Diskussion an sich, sei dieses Thema doch bisher tabuisiert worden, wollte sich aber noch nicht festlegen, ob es auch tatsächlich zur Umstellung des Wahlsystems kommen soll. Auch auf ein bestimmtes Modell wollte er sich nicht festlegen lassen.

Eher zurückhaltend aufgenommen wurde vorerst der Vorschlag der Perspektivengruppe, für die ausländischen Ehepartner von Inländern automatisch eine Arbeitsbewilligung zu erteilen. Innenminister Günther Platter, der das entsprechende Vorhaben bisher stets abgelehnt hatte, übte sich am Montag in Zurückhaltung. Dieses Thema sollte noch diskutiert werden, gesichert sein müsse, dass es nicht zu einem Anstieg der Scheinehen komme.

Empörung über Forderung nach Ende für Branchen-Kollektivverträge

Für Empörung in der Arbeitnehmer-Vertretung sorgten Vorschläge von Pröll und co., die Branchen-Kollektivverträge zu kippen und die Lohnabschlüsse auf die betriebliche Ebene zu verlagern. Davon halte er "überhaupt nichts", sagte ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer, GPA-Chef Wolfgang Katzian sprach von "Kohlrabi". Noch für Diskussionen sorgten sollte auch die Forderung, die Arbeiterkammer-Umlage zu senken. Hier zeigte sich selbst der VP-Arbeitnehmerbund in einer ersten Reaktion skeptisch.

Überhaupt gibt es trotz insgesamt erstaunlicher Ruhe in der ÖVP doch einzelne Kritikpunkte, die aus den schwarzen Reihen vorgebracht wurden. Hervorgetan hat sich wie meist der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer. Zwar hält er die Eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle für eine "vorsichtige Öffnung in die reale Welt". In Sachen Schule sei man aber in Summe leider stecken geblieben, und auch in der Frage der Neutralität sei der "Bedarf an Wortmeldungen gedeckt", kritisierte er die Scheinheiligkeit der Diskussion.

Im Perspektivenpapier war ein Bekenntnis zur Neutralität abgegeben worden, obwohl der dazu eingesetzte Arbeitskreis eine Abschaffung empfohlen hatte. Kärntens VP-Obmann Josef Martinz will die Eingetragene Partnerschaft nur beim Notar, nicht wie vorgeschlagen am Standesamt. (APA)