Wien - Mit der "Wiener Deklaration" endete am vergangenen Samstag der Gründungskonvent des Netzwerkes europäischer Schwarzer Frauen (BEWNET) zu dem 84 Schwarze Frauen aus 14 EU-Mitgliedsstaaten und der Schweiz zusammengekommen waren (derStandard.at berichtete ). Dabei einigten sich die Teilnehmerinnen auf die zentrale Forderung: die Anerkennung der bedeutenden Rolle, die schwarze Europäerinnen in allen Ebenen der Gesellschaft innehaben - in wirtschaftlicher, kultureller, politischer und sozialer Hinsicht.

Direkte Partizipation gefordert

Zur Hauptaufgabe hat das Netzwerk daher die Emanzipation und Gleichberechtigung schwarzer Europäerinnen erklärt, bzw. die Implementierung dieser Kernthemen in der EU-Politik. Startschuss für das Netzwerk und ihre Arbeit soll das europäische Jahr der Chancengleichheit 2008 werden, erklärte Beatrice Achaleke, die Initiatorin des Kongresses aus Österreich, gegenüber derStandard.at.

Die Forderungen des Netzwerkes sollen im Europaparlament präsentiert werden, um so in einen direkten Dialog mit der Union zu treten. Denn man ist, wie Achaleke betonte, nicht an Protesten und Petitionen interessiert, sondern an direkter Partizipation. Schwarze Frauen seien in Europa unsichtbar was die Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben angeht, fügt Hellen Felter, Soziologin aus den Niederlanden, hinzu. Und daran änderten auch die wenigen schwarzen Politikerinnen, wie beispielsweise die französische Staatssekretärin Rama Yade, nichts.

Repräsentiert sein

Denn in einem von institutionalisiertem Rassismus geprägten System könne sich eine schwarze Frau zwar der Anliegen von Schwarzen generell annehmen, wirklich verändern könne sie aber nichts, betonte Achaleke. „Wenn eine schwarze Frau die Situation von schwarzen Frauen anspricht, wird das die Probleme nicht mindern“, ergänzte sie. Daher fordert das Netzwerk die Entwicklung von Programmen, welche angemessene politische Repräsentation und Partizipation beinhaltet und gewährleistet.

Situation der zweiten Generation

Trotz vorhandener rechtlicher Rahmenbedingungen existieren weiterhin unterschiedliche Formen von Diskriminierung wie Sexismus, beanstandete die Soziologin Felter weiter. Der Kongress empfiehlt der EU daher die Stärkung und Umsetzung des Artikels 13, um alle Formen von Diskriminierung in allen europäischen Mitgliedsstaaten zu eliminieren.

Dezidiert angesprochen wurden in der Grundsatzerklärung auch die Situation der zweiten Generation und die Schwierigkeiten, mit denen schwarze Jugendliche konfrontiert sind. Besonders Buben und junge Männer seien mit Alltagsrassismus konfrontiert, unterstreicht Felter. „Stellt ein weißer Junge etwas an, ist das ein Bagatelldelikt. Ein schwarzer Junge wird für dieselbe Tat festgenommen und vor Gericht gestellt“. Das sollte natürlich nicht bedeuten, dass Strafvergehen gutzuheißen seien, ebenso wenig wie die damit verbundene Ungleichbehandlung, ergänzte Achaleke. Verpflichtender Antirassismusausbildung im Bildungssystem und in der öffentlichen Hand bzw. für das Personal lautet in diesem Zusammenhang eine weitere Forderung des Netzwerkes schwarzer Europäerinnen. Zusätzlich empfehlen sie gesetzliche Richtlinien für alle Bildungseinrichtungen.

Reduzierung

Besonders kritisiert wurde auch die Reduktion schwarzer Frauen auf ihre Rolle als Mütter: „Migrantinnen werden vermehrt in dem Kontext gesehen, dass sie eine alternde Gesellschaft verjüngen. Die Reduzierung ist gefährlich, weil gleiche Rechte nicht thematisiert werden, und Schwarze auf ihre Reproduktion reduziert werden“, unterstrich Achaleke.

Dass man von Gleichberechtigung weit entfernt sei, sehe man unter anderem sehr deutlich am Arbeitsmarkt. Felter: „Nicht nur die Möglichkeiten im Erwerbsleben sind beschränkt. Spricht man von der Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen im Lohnschema, so spricht man von weißen Frauen. Tatsache ist, das schwarze Frauen noch weniger verdienen als weiße, auch wenn sie die selbe oder sogar eine bessere Ausbildung haben.“ Schwarze Frauen seien aus diesem Diskurs gänzlich ausgeschlossen, kritisiert auch Achaleke.

Affirmative Action

Gleichheit könne man natürlich nicht in einem Jahr schaffen, betonte sie weiter. Doch mit klaren Maßnahmen könnten die politischen Entscheidungsträger klare Zeichen setzen. Eine solche Maßnahme, die Interesse an einem Ende der Diskriminierung signalisiere, sei zum Beispiel „Affirmative Action“ (die bewusste Bevorzugung von Mitgliedern einer Gruppe zum Ausgleich von behaupteten oder tatsächlichen Nachteilen, Anm. d. Red). Achaleke: „Affirmative Action wäre wichtig, um den Betroffenen zu zeigen, dass man ihre Anliegen ernst nimmt.“ (hag/derStandard.at, 2. Oktober 2007)