Gibt es – in Zeiten der Globalisierung – auch so etwas wie eine "Internationale der Qualitätssender"? Auf der Suche nach den jenseits der österreichischen Grenzen gelegenen Pendants zum Sendertypus Ö1 stößt man schnell auf diese Erkenntnis: Nationale Bildungs- und Kultursender wie Ö1 sind eine zumindest teilweise europäische Angelegenheit.

Aus österreichischer Perspektive liegt das Gute (auf die Qualität der Radiostationen bezogen) fast immer nah: In der Schweiz, in Deutschland, in Frankreich, dann noch in Großbritannien. "In fast allen anderen Ländern wird 'Radio' so gut wie ausschließlich mit Unterhaltung und so gut wie nie mit Bildung oder Kultur assoziiert", meint Christian Schalt, Radioexperte und Noch-Programmchef von Kronehit-Radio, der sich derzeit gerade für neue Aufgaben in Deutschland rüstet. "In den südlichen Ländern wird man fürs Radiohören meist im Kontext des Fußballsports sozialisiert, und in Brasilien angeblich sogar in der Nähe zum Zirkusmilieu."

In den USA gibt es wohl einen öffentlichen Qualitätssender – genauer: einen Produzenten von nichtkommerziellen News, Talk-Sendungen und Unterhaltungsprogrammen –, das "National Public Radio". NPR existiert seit dem Jahr 1970, beliefert 800 Sender und berühmt sich auf seiner Homepage einer Gesamt-Hörerschaft von 26 Millionen Amerikanern. Wer mit den medialen Verhältnissen in den USA vertraut ist, weiß allerdings, dass der wahre politische Einfluss in den Händen privater kommerzieller Anstalten ruht, in den meisten Fällen solcher mit einer schweren republikanischen Schlagseite. Qualität ist, wie häufig, kein Mehrheitsprogramm.

Das lehren auch die Tagesreichweiten der europäischen Kultur-, Klassik- und Informationssender: Österreich 1, der Spitzenreiter, kann mit 9,2_Prozent (durchschnittlich rund 640.000 tägliche Hörer ab 14 Jahren) renommieren – sehr viel, wenn man es relativ, weniger, wenn man es absolut sieht. Der Schweizer Sender DRS 2 bringt es immerhin noch auf 8,7 Prozent, die weiteren einschlägigen Sender siedeln dann deutlich in der Welt unter fünf Prozent (ein Glück, dass für Radiomacher nicht dieselben Sperrklauseln gelten wie für Parlamentsabgeordnete).

BBC Radio 3 kommt auf vier Prozent Tagesreichweite, das Kulturradio des Saarländischen Rundfunks, SR2, auf 2, 3 Prozent, das französische MDR Figaro auf 2,2 Prozent, das Deutschlandradio Kultur gar auf 0,4 Prozent. Qualitätsradiohörer sind meist Mitglieder ziemlich exklusiver Klubs.

Ein interessantes Beispiel für einen nationalen Sender, der in einer Art Hybrid-Konstruktion nichtkommerzielle und kommerzielle Interessen zu koppeln versucht, ist die BBC, die sich mit BBC Worldwide einen "noncommercial arm" zugelegt hat, der weltweit Audiobücher, Fernsehprogramme, DVDs und Videos verteilt. Nicht verwunderlich ist, dass sich viele Qualitätssender nicht nur um ihr nationales Publikum kümmern, sondern sich auch über die Grenzen hinweg umhören: Wenn in Österreich wichtigere politische Ereignisse anstehen, hat man als außenpolitischer Redakteur schnell einmal einen ausländischen Kollegen – etwa von France Culture – am Telefon, der darum bittet, dass man erörtern möge, wie sich das entsprechende Ereignis aus der nationalen Perspektive darstellt. Umgekehrt ist es immer wieder angenehm zu hören, dass Ö1 nie der Versuchung einer nationalen Nabelschau nachgegeben hat, sondern in den Journalen und deren Panoramen, dem Radiokolleg, den Porträts und Diskussionssendungen ständig eine anhaltende grenzüberschreitende Neugier an den Tag legt. (Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2007)