STANDARD: Was bedeutet das Wahlresultat für die Ukraine?

Malinkowitsch: Nichts Gutes. Denn bei uns hat eine geheimnisvolle Geschichte stattgefunden. Schon das zweite Jahr erraten die Soziologen alle Ergebnisse, nur die Möglichkeiten Timoschenkos nicht. Schon bei den Wahlen im März 2006 hat Timoschenko fünf bis sieben Prozent zugelegt, und jetzt noch mehr.

STANDARD: Wovon zeugt das?

Malinkowitsch: Dass die 20 Prozent unentschlossener Wähler in der letzten Minute nicht mehr rational, sondern auf der Ebene des Unterbewusstseins agieren. Das erschreckt mich am meisten. Denn ein solches Verhältnis zwischen dem Volk und seinen Führern kann ernsthafte Folgen haben, wie die Geschichte zeigt. Es ist das Phänomen, dass, wenn die Emotionen hervorbrechen, die Leute sich an einem Führer orientieren und dieser ein Konzept anbietet, das für die Demokratie unannehmbar ist: Ich und das Volk werden regieren.

STANDARD: Aber man hat ja noch die demokratischen Institutionen.

Malinkowitsch: Die Leute bei uns trauen diesen Institutionen nicht. Sie glauben Timoschenkos Versprechungen, deren Finanzierung mehr als zehn Jahresbudgets braucht. Wenn die Leute von allem enttäuscht sind, hängen sie sich an die schöne Puppe.

STANDARD: Warum soll Timoschenko so schlecht sein fürs Land?

Malinkowitsch: Sie verspricht Unmögliches und zerstört damit unsere Ökonomie. Am gefährlichsten aber ist, dass sie keine demokratischen Institutionen stärken will. Es gibt nur sie und das Volk.

STANDARD: Es gibt noch Präsident Juschtschenko mit seinen nicht geringen Vollmachten.

Malinkowitsch: Sie wird ihn jetzt noch mehr in der Hand haben. Wenn er sich gegen sie stellt, tritt sie bei den nächsten Präsidentenwahlen gegen ihn an und gewinnt eben dort. Die wahrscheinliche orange Koalition wird also nicht bruchfest sein. Zwei Personen werden zumindest bis zu den Präsidentschaftswahlen 2009 einander weiter bekämpfen. Unklar wird nur bleiben, wer das Land lenkt und im Westen vertritt, er oder sie.

STANDARD: Aber Timoschenkos Erfolg muss man gleichzeitig wohl auch dem Versagen der anderen zuschreiben.

Malinkowitsch: Natürlich. Am meisten schuld ist die in Wahrheit von dem Milliardär Rinat Achmetow gelenkte Partei der Region, weil sie Neuwahlen zustimmte. Diese waren bekanntlich verfassungswidrig von Juschtschenko initiiert worden. Die Frage ist, wie sich diese Partei nun weiter verhält. Und offen ist, wie sich die Wirtschaftsbosse verhalten werden. Die Krisensituation wird fortgeschrieben. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2007)