Es ist die alte Geschichte: Die erfolgreichsten Populisten kommen selbst aus dem System, das zu bekämpfen sie vorgeben. Wahrscheinlich macht die Fähigkeit, dies zu verschleiern, verbunden mit einem unbestreitbaren Charisma, das Geheimnis ihres Erfolgs aus. Jörg Haider, der polnische Bauernführer Andrzej Lepper oder Ungarns Oppositionschef Viktor Orbán sind Beispiele dafür. Wobei deren Erfolg ja sehr relativ ist, wie ihr weiterer Werdegang zeigt.

Julia Timoschenko gilt nicht erst seit der „orangen Revolution“ als eine der fähigsten politischen Persönlichkeiten der Ukraine. Ehe sie in die Politik ging und sich quasi zur Rächerin der Enterbten hochstilisierte, wurde sie im Gas-Monopolgeschäft des Landes groß. Das politisch-wirtschaftliche Beziehungsgeflecht der Ukraine kennt sie wie kaum ein anderer. Und vermutlich trauen ihr viele Wähler genau deshalb zu, damit aufzuräumen. Und das ist eine durchaus gefährliche Illusion.

Jedenfalls lässt sich der Erfolg der einstigen „Gasprinzessin“ und späteren Revolutionsführerin bei den vorzeitigen Parlamentswahlen mit Frust erklären: Frust über die durch Packelei und wechselseitige Blockade verratenen Ideale der orangen Revolution, Frust über ausbleibende Reformen, Frust über die sozialen Folgen des Transformationsprozesses.

Nach dem Wahlergebnis vom Sonntag wird kaum ein Weg an einer Regierungschefin Timoschenko vorbeiführen. Überzeugte Demokraten mögen das angesichts ihrer starken populistischen Schlagseite bedauern. Aber es ist die einzige Möglichkeit, Timoschenko in die Pflicht zu nehmen. Bisher konnte sie ja sagen, sie habe in ihrer kurzen ersten Amtszeit als Premierministerin keine Chance gehabt, ihre Vorhaben umzusetzen. Diese Ausrede wird sie ein zweites Mal nicht mehr haben. Und eines hat die orange Revolution auf jeden Fall bewirkt: Auch ihre Helden stehen unter scharfer Beobachtung. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2007)