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Anti-Gipfel-Protest in Seoul: Südkoreanische Aktivisten demolieren Kim-Jong-iI-Plakate.

Foto: APA/EPA/Jeon Heon-Kyun
Mehr als sechs Jahrzehnte dauert die Teilung Koreas nun schon, doch vom 2. bis 4. Oktober findet erst das zweite Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea statt. Entsprechend sollte man Euphorie und Zustimmung erwarten; das Gegenteil ist der Fall. Sowohl innerhalb Südkoreas wie auch außerhalb der Halbinsel ist man skeptisch bis kritisch. Wo liegt das Problem?

Das Maß des Erfolges ist der erste Gipfel aus dem Jahre 2000, der dem damaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung den Friedensnobelpreis eingebracht hat. Millionen Südkoreaner sahen im Fernsehen erstmals den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-il und waren überwältigt, dass dieser sich als durchaus selbstsicherer und höflicher Gastgeber zeigte. Die Schaffung der Sonderwirtschaftszone bei Kaesong in Nordkorea wurde beschlossen, nur wenige Kilometer von der Demarkationslinie entfernt. Dort arbeiten heute über 10.000 Nordkoreanerinnen mit ca. 800 südkoreanischen Managern zusammen und produzieren arbeitsintensive Güter der Leichtindustrie.

Derlei Resultate gilt es für beide Seiten zu übertreffen, doch die Chancen stehen schlecht. Von Kim Jong-il wünscht man sich die Verschrottung der im Herbst 2006 getesteten Atomwaffen, doch das wird und kann er nicht tun. Zu hart hat Nordkoreas Führung gearbeitet, um endlich Atommacht zu werden, und zu wichtig ist dieser Status für die innere Stabilität, die äußere Sicherheit und auch als Verhandlungsargument. Vom südkoreanischen Präsidenten Roh Moo-hyun erhofft man Fortschritte bei der innerkoreanischen Annäherung und die Vorbereitung eines Friedensvertrages zur formellen Beendigung des Koreakrieges. Doch dafür ist die Unterstützung der USA nötig, die Roh nicht hat und auch nicht bekommen wird. Dass er beim APEC-Gipfel in Australien Anfang September Präsident Bush öffentlich wegen des Friedensvertrages mit Nordkorea unter Druck gesetzt hat, war mutig und ehrenhaft, aber vermutlich wenig hilfreich.

Beiden Seiten werden unlautere Motive unterstellt. Im Falle Nordkoreas erwartet man vor allem massive ökonomische Forderungen. Auch Präsident Roh sieht sich bezüglich seiner Absichten großer Skepsis ausgesetzt. Im Dezember finden in Südkorea Präsidentenwahlen statt. Laut Verfassung kann Roh nicht wiedergewählt werden, und nicht nur seine Beliebtheit hat einen Tiefpunkt erreicht, auch die Chancen für einen Nachfolger aus den eigenen Reihen stehen schlecht. Man unterstellt ihm, sich in letzter Minute noch einen Platz in den Geschichtsbüchern sichern und die Opposition im Wahlkampf durch einen Gipfelerfolg schwächen zu wollen –- und zwar mit Hilfe des südkoreanischen Steuerzahlers, der großzügige Geschenke als Gegenleistung für etwaige Gesten und Zugeständnisse Nordkoreas finanzieren müsste. Pyongyang verdächtigt man des Manipulationsversuches bei den südkoreanischen Präsidentenwahlen.

Diese Argumente sind stichhaltig und kaum von der Hand zu weisen. Betrachtet man den Gipfel mit etwas Abstand, ergibt sich jedoch auch ein anderes Bild. Der Zeitpunkt am Ende von Roh’s Präsidentschaft ist nicht ideal, doch wann sonst hätte das Treffen stattfinden können? Seit Oktober 2002 wird Nordkorea international wegen seines Atomprogramms verurteilt, doch Roh kam Monate später im März 2003 an die Macht.

Erst das Abkommen Nordkoreas mit den USA vom 13. Februar 2007 brachte für ihn eine Situation, die das Treffen zumindest nicht als Billigung der nordkoreanischen nuklearen Ambitionen aussehen lässt.

Gesichtsverlust?

Ganz auf einen Gipfel zu verzichten wäre fatal gewesen, und zwar nicht nur, weil damit die Chance vertan worden wäre, solche Gespräche zu einer Routineprozedur für jeden neuen Präsidenten Südkoreas zu machen.

Zu viel Zurückhaltung würde auch in die Hände Beijings spielen. China ist bereits massiv nicht nur mit Investitionen, Handel und Kooperationsprojekten in Nordkorea präsent, sondern hat auch langfristige Konzessionen zum Abbau der reichen nordkoreanischen Rohstoffvorkommen erhalten. Eine Fortsetzung dieses Ausverkaufs kann nicht im koreanischen Interesse sein.

Seltsam ist, dass erneut Nordkorea Ort des Geschehens ist, obwohl 2000 ein Gegenbesuch in Seoul vereinbart worden war.

Mit Blick auf ostasiatische Kulturtradition kann man Subordination und eine Tributgesandtschaft vermuten, wenn der südkoreanische Präsident erneut als Gast auftritt, und nicht als Gastgeber. Die realen politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse lassen ein solches Bild jedoch recht übertrieben erscheinen. Südkorea ist eine international hoch anerkannte Demokratie mit einer der stärksten Volkswirtschaften der Welt, während Nordkorea isoliert und verarmt ist - da kann man getrost Größe zeigen und den armen Nachbarn ein zweites Mal besuchen, ohne sich um Gesichtsverlust sorgen zu müssen. Mit etwas bösem Willen könnte man der nordkoreanischen Führung gar Feigheit davor unterstellen, sich der Realität Südkoreas und den zu erwartenden Protesten zu stellen.

Angesichts der von Konfrontation und Misstrauen geprägten Vergangenheit ist jeder Gipfel allein wegen seines Stattfindens ein Erfolg. Den Missbrauch von nach Nordkorea fließendem Geld kann man durch konkrete Projekte und Ratenzahlungen einschränken. Selbst Veruntreuung und Korruption werden ihre Konsequenzen für die Legitimität des Regimes haben.

Das zweite innerkoreanische Gipfeltreffen wird nicht das letzte sein; Geld wird fließen und hinreichend Material für Kritiker und Unterstützer geliefert werden. Rückblickend aber wird man eines Tages den innerkoreanischen Gipfel vom Oktober 2007 als einen kleinen Schritt auf dem langen Weg zur Annäherung und zur Stabilität in Nordostasien sehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2007)