Wenn der Herausgeber der "Kronen Zeitung" einmal an jemandem einen Narren gefressen hat, dann bleibt er dieser Speise treu. Davon weiß nicht nur Werner Faymann, nun als Verkehrsminister wie schon vormals als Stadtrat, ein Lied zu singen. Sogar der "Presse" ist das am Wochenende endlich aufgefallen, als sie einen ganzseitigen Artikel über diese auch in mediale Nebenbereiche ausufernde Liaison mit Werner Faymann, König des Boulevards übertitelte, die aktuelle Begründung für diese Rangerhöhung von Dichands Gnaden - die das Kleinformat regelmäßig schmückende Doppelseite "Unsere Bahn" - aber nur verschämt umschrieb: Dass es sich dabei um eine bezahlte Anzeige handeln könnte, ist nicht ersichtlich .

Diese Unersichtlichkeit sollte man nicht überbewerten, umso weniger, als die Dichands und Faymann zur besseren wechselweisen Ersichtlichkeit gelegentlich ihre Pressesprecher tauschen, was nun dazu geführt hat, dass sich "Die Presse" von der Lebensgefährtin eines "Krone"-Redakteurs in Gestalt einer Pressesprecherin Faymanns die Ersichtlichkeit dieser Beziehung so erklären lassen musste: Faymann habe halt, wie die "Krone" auch, das Ohr am Volk. "Da sind beide ganz auf einer Linie". Diese Wahrheit ist dem österreichischen Menschen ohne weiteres zumutbar, denn wie könnte man das Ohr am Volk haben, wenn einem Hans Dichand kein Gehör schenkt?

Faymann ist aber nicht der einzige, zu dem der "Krone"-Patriarch eine Beziehung der ganz innigen Art unterhält, wenn es seinen Zwecken dient. Als regelmäßiger Kolumnist darf Hans-Peter Martin die Unzufriedenheit mit der Europäischen Union schüren, die auf den Seiten, auf denen die Leser die Meinung des Herausgebers ablaichen dürfen, zu einem Gebräu aufgeschäumt wird, in dem sich manch berechtigte Kritik mit dem Bodensatz hinterwäldlerischer Engstirnigkeit mischt.

Sonntag durfte Martin fragen: Wozu EU-Abgeordnete? Die Antwort auf diese selbstreferentielle Sinnfrage blieb er leider schuldig, womit er eine Chance, auf EU-kritische "Krone"-Leser bildungsmäßig einzuwirken, ungenutzt vorüber gehen ließ, dafür umso fleißiger an der Bildung ihrer Vorurteile arbeitete. Das EU-Parlament ist vor allem ein Luxuswartesaal für Nicht-mehr- und Noch-nicht-Minister, vom europäischen Steuerzahler jährlich subventioniert mit 1,3 Milliarden Euro.

Mitsubventioniert wird auch Martin, der sich aber von der parlamentarischen "Sumpfbrüderschaft" in mehrfacher Hinsicht unterscheidet, was dazu führte, dass die Antwort auf seine Frage Wozu EU-Abgeordnete? rasch in eine Jeremiade über die skandalöse Verkennung seiner lauteren Gesinnung mündete. Dass ich aus Prinzip auf mehr als 500.000 Euro an Privilegienzahlungen verzichte, schürt erst recht den Zorn von EU-Kollegen, die keinen Privilegientopf auslassen.

Soviel Askese schürt nicht nur den Zorn von EU-Kollegen, sondern offenbar auch die Indolenz von Journalisten. Darüber freilich berichten Journalisten kaum. Die Austria Presse Agentur (APA), die fast alle österreichischen Medien beliefert, ruft trotz verbindlicher Zusicherung nicht einmal bei mir an, nachdem ausgerechnet dieses EU-Verschwendungsparlament Sanktionen gegen mich verhängte. So erfahren die Leser der APA-Meldung zwar von Entscheidung aus Sicht der Herrschenden, nicht aber von meiner Klage dagegen beim Europäischen Gerichtshof.

Diese flammende Anklage gegen die schreibende Zunft kam exakt zur rechten Zeit, denn ab 1. Oktober nimmt das europäische Parlament die Verschwendungsvorwürfe Martins endlich ernst und beschneidet einen Teil seiner Zulagen. Es wirft ihm vor, die Sekretariatszulage nicht korrekt verwendet zu haben, wobei sie sich auf Ermittlungen der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF stützt. Obwohl dies ganz im Sinne seines Kampfes gegen die Sumpfbrüderschaft liegt, rechnet Martin damit, vor dem Europäischen Gerichtshof rehabilitiert zu werden - damit hier festgehalten sei, was die APA im Sinne der Herrschenden unterlassen haben soll, mitzuteilen.

Dass demnächst in Österreich über die Aufhebung seiner parlamentarische Immunität entschieden werden soll, hat übrigens Martin in seiner Kolumne ebenso wenig erwähnt, wie - auch das noch! - das Ansinnen an ihn, nicht ausgegebene Parteienförderung für die Europawahl 2004 zurückzuzahlen - so schreibt es das Gesetz vor. Da muss man schon Verständnis für Martins Jammer haben.

Verständnis hat auch Andreas Unterberger für Hubert Gorbachs Art der Jobsuche. Schadenfreude über die Job-probleme von Expolitikern (die sehr viele treffen) ist in Wahrheit selbstbeschädigend. Denn diese Perspektive gibt klugen und anständigen Menschen nur noch ein weiteres Motiv, nicht Politiker werden zu wollen. Wenn man der vielen klugen und anständigen Menschen gedenkt, die Wolfgang Schüssel in die Politik vermittelt hat, kann Schadenfreude, die solche daraus fern hält, nicht groß genug sein. Da artete schon die Jobsuche eines Exchefredakteurs in Peinlichkeit aus. (Günter Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2007)