Persisch für Anfänger. Erste Regel: Von rechts nach links.

Foto: derStandard.at/Khorsand

Was in der Stunde beigebracht wird, reicht für die Prüfungen am Jahresende.

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Manijeh Shokouhi und Shiva Badihi: keine scheidungsfanatischen Männerhasserinnen, sondern iranische Frauenaktivistinnen.

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Wien - In dieser Schule gibt es keine Einser oder Fünfer. Hier bekommen die Schüler 20er oder 10er. Aria Akhavan bekommt meistens nur 20er, die beste Note im persischen Notensystem. "Ich bin kein Streber. Es reicht bei den Prüfungen, das hinzuschreiben, was ich in der Stunde gelernt habe", sagt der 14-Jährige ungeduldig.

Es ist 16.45 Uhr und gerade Pause in der iranischen "Parvin Etesami" Schule im vierten Wiener Gemeindebezirk. Akhavan schaut sehnsüchtig zum Tischtennistisch, bei dem seine Freunde bereits ihre Turniere austragen.

"Müssen nicht wissen, wie man Vogel schreibt"

Seit einem Jahr kommt er jeden Samstag für zwei Stunden in die Schule, um Persisch zu lernen, von rechts nach links zu schreiben und das Geschriebene auch wieder zu entziffern. Akhavan ist einer von 28 Schülern. Das Angebot richtet sich an Kleinkinder, Kinder mit nur einem persischsprachigen Elternteil und geht bis hin zu Jugendlichen. "Sie müssen nicht wissen, wie man Vogel schreibt, uns reicht es, wenn die Kinder wissen, dass es auf Persisch Parandeh heißt", erklärt Shiva Badihi die Intention der Schule. Die 37-Jährige ist einer der Lehrerinnen und Obfrau des Vereins "Gesellschaft Unabhängiger Iranischer Frauen" (GIF). Seit 1986 ist der Verein aktiv und betreibt neben einer Beratungs -und Informationsstelle für persischsprachige Immigrantinnen auch um die Sprachschule.

Eistee beim Diktat

"Hier fühlt man sich wohl, es ist nicht so streng, man kann sogar essen wann man will", beschreibt die 11-jährige Mana die Vorzüge der Schule. Die Lehrerinnen werden beim Vornamen genannt, während dem Diktat darf am Eistee geschlürft werden, und zur Verabschiedung gibt es auch schon einmal eine Umarmung.

"Manche Eltern erzählen mir, dass ihre Kinder kurz bevor sie in die Schule gehen, aufhören Persisch mit ihnen zu sprechen und Deutsch reden, weil ihnen das Persische peinlich ist. Das wollen wir ändern", sagt die Lehrerin Mahin Randjbar.

Keine Religion

Dabei gilt es nicht, den Iran und seine Kultur zu propagieren, sondern Österreich und Iran als gleichwertige Teile der Identität der Kinder zu kombinieren. So werden beispielsweise Sprichwörter gesucht, die in beiden Sprachen gebräuchlich sind, oder Feste miteinander verglichen. Als Unterrichtsmaterial werden Bücher aus dem Iran und aus Schweden verwendet. Ohne Kopftücher, ohne den Insignien des Schahs und ohne Hammer und Sichel. Oberste Maxime: Keine Parteipolitik und keine Religion.

Keine Politik

Diesem Motto hat sich auch der Verein GIF verschrieben. Von der verheirateten Hausfrau bis hin zur Jungakademikerin - keine soll sich vor den Kopf gestoßen fühlen. "Viele haben das Vorurteil, dass wir entweder extrem politisch sind oder scheidungsfanatische Männerhasserinnen", sagt Obfrau Badihi und lacht. Eigentlich wollen sie die Frauen über ihre Rechte in Österreich aufklären. Einmal im Monat treffen sich die Frauen und diskutieren über weibliche Genitalverstümmelung, internationale Frauenbewegungen bis hin zu Eigenheiten der Schilddrüse. Nicht die persische Frau steht im Mittelpunkt der Debatte, sondern die Frau an sich. Gesprochen wird dabei Persisch.

Außerdem können Frauen jeden Donnerstag das GIF- Büro aufsuchen, wo sie dann die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen an entsprechende Informationsstellen wie Anwälte, Ärzte oder Frauenhäuser weiterleiten. Im April 2008 plant die MA17 - die Magistratsabteilung für Integration - gemeinsam mit der GIF und afghanischen und kurdischen Frauenvereinen eine Aktionswoche zum Thema "Chancengleichheit", wo neben Workshops und Filmvorführungen unter anderem Projekte mit Schulen geplant sind sowie diverse Informationsveranstaltungen.

Energie

Über die Sprachschule haben viele Frauen begonnen sich auch im Verein zu engagieren. "Die Arbeit als Lehrerin und die im Verein gibt mir sehr viel Energie. Sie hat mir geholfen, mich auch besser in Österreich zurecht zu finden", sagt die studierte Politikwissenschaftlerin Manijeh Shokouhi, die vor fünf Jahren nach Österreich gekommen ist. Dass sie gelegentlich von ihren Freunden wegen ihrer NGO-Arbeit belächelt werden, stört die Frauen nicht. Ob sie im Brotberuf biomedizinische Analytikerin, Kindergärtnerin oder Sekretärin sind, ist nicht relevant. Damit verdienen sie nur Geld, im Verein leben sie ihren Traum. (sand, derstandard.at/2.10.2007)